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Monlevade, den 7. Juni 1954

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Monlevade, den 7. Juni 1954

Liebe Elly, Bomi und Roby,

Am Samstag Abend 5 Uhr bin ich in Monlevade angekommen. Die Fahrt wurde mit zwei Autos ab Belo-Horiz. um 9:00 Uhr gestartet. Kurvenreiche Strasse, wenn man dies Strasse nennen kann. Bis Sabara nichts wie kahle Hügel, so weit das Auge sehen kann. Die Landschaft stimmt einen richtig traurig. Kleine Zwischenstation in Sabará, ein kleines Werk wo ich nicht hausen möchte. Das einzige was hier schön ist, das ist die Besitzung von Herrn Scharlé. Herrlich gelungen ist diese Villa mit grosser Parkanlage, das einzige Schöne von Sabara. Weiterfahrt nach Santa Barbara, wo mir die Anschaffung von H Jait[?] gezeigt wurde. Ein Bauernhaus in einer Flucht von Häusern gelegen, so unscheinbar, es wäre nicht im entferntesten Sinne, das was ich mir wünsche. Unser Haus in Wadgassen wird schöner. Nach 10 Minuten sind wir wieder in

Monlevade wurde mir gesagt, nachdem wir von St. Barbara noch etwa 2 Stunden gefahren waren. Hinter uns stets eine Staubwolke wie wenn es brennen würde. Jetzt tauchten die ersten Wälder auf. Landschaftlich der erste schöne Flocken, den ich von Rio aus gesehen.

Rio und Belo-Horizonte sind grossartige Städte, doch möchte ich nicht in diesen Städten leben. Dann kam der erste Blick in den Talkessel mit Werk, Kirche und schmucken Häuschen von Monlevade.

Wenn man auf der ganzen Reise nichts wie trostlose Landschaft mit dann und wann einen weidenden Rind gesehen hat, Rinder etwas grösser wie unser Barry, dann freut sich das Auge beim Anblick von Monlevade.

Herr Ensch hat hier eine Werkstatt, da kann man nur staunen. Heute habe ich und Herrn Loutsch, welcher jetzt die Direktion hat, das Werk besichtigt. Es ist eine schöne Anlage.

Die Hochöfen 4 sind Miniatur-Hochöfen, Ausführung wie in Burbach nach dem Format 1:2,

Hochwerk, Walzwerk und Werkstätten sind moderne Anlagen. Was das Walzwerk betrifft so sind die Oefe der Blöcke 4 3 geteilte Gruppen mit 16 Zellen - Regenerativ Anwendung d.h. Gas und Lufterwärmung für 3 Blöcke 1a zur Vor.?..ofen mit Mazut (masoute) für kalte Blöcke. Der Block 2 war nicht in Betrieb, sehe ich erst morgen.

Eine moderne Drahtstrasse wie in Schifflingen 300er und 600er Str. doch weniger modern. Hier gibt es noch manche dicke Nuss zu knacken. Gas und Bandstrasse werde ich morgen sehen. Ich wohne hier im Kasino. Zwei Zimmer, sauber mit einer Kost, welche mich hier über 2 Zentner bringen wird. Beide Zimmer d.h. ein Schlafzimmer und ein Büro  mit dazwischen eigenem Badezimmer sind für Chef de service Dr. Demuth. Hier sind alle Dr. auch wenn nicht promoviert. Alles was Universitätsstudien hinter sich hat, ist für die Brasilianer Dr., zwecklos sich dagegen aufzulehnen.

Ein komisches Land. Auf 25000 Einwohner von Monlevade kommen 2500 Kinder.

Kleidung trägt man im Winter, da kann man nur staunen. Ein Hemd ohne Schlips und eine Hose und ein Hut ist eine seltene Ausnahme. Das schlimmste Uebel ist die Sünderanlage. Ich sage Sünderanlage, wegen dem Staub, welcher von Hausfrauen in dem Staub der D[...] viel zu schaffen macht und man sucht krampfhaft nach Mittel diese Staubwolken zu vermeiden, d.h. den Dreck vom Tatort niederzuschlagen.

Liebe Elly ! Du siehst dass die Entwicklung hier noch keine Rätsel aufgibt, dass ich zuversichtlich bin und es läge kein Grund vor eine Zukunft mit viel Schwarz vor sich zu haben. Die Schleier beginnen sich zu lüften und ich sehe vorerst noch nichts was als unlösbares Problem angesehen werden kann.

Das Abreissen von Kalender-Zettel kann Trost sein, doch mehr Trost ist der Gedanke, dass unsere kleine Familie in spätestens 1 ½ Jahren sich wieder zusammen finden wird und dass sich die Vorbereitungen

für diesen Empfang treffen kann.

Hierzu gehört fleissig Portugiesisch zu lernen. Jeder Luxemburger hier hat es gelernt und so werde ich dies auch noch fressen.

Lass dir die Zeit der Trennung nicht zu schwer werden. Was wir heutzutage haben, das soll ja immer dem Roby helfen und ich habe heute mehr denn je die Ueberzeugung dass wir richtig gehandelt haben. Die Zukunft wird dies zeigen.

Morgen werde ich wieder etwas mehr sehen und immer tiefer in den Kern der Anlage sehen, Portugiesisch lernen, damit ich ab September auch die Anlage vorstehen kann.

Zu diesem Zeitpunkt wird Herr Meiers[Meyers] mit Familie 4 Buben nach Luxemburg ziehen, nachdem er 26 Jahre hier in Monlevade gewirkt hat. Das Werk hat sehr viele Luxemburger doch heisst es vorsichtig sein.

Probleme :

Die Anlage gebaut für 75000 to Jahresproduktion erreicht heute 150000 to durch Erstellung von einem Konverter-Stahlwerk sollen 300000 to prod.

erreicht werden und die Tonnage soll das jetzige Walzwerk in fertigen Produkten auf den Markt bringen. Schöne Aufgabe, wie den vielen anderen. Hierüber später mehr. Für heute will ich schliessen und zwar mit einem dicken Kuss liebe Elly.

Ich freue mich zu hören dass Roby fleissig studiert und was Ackerbau und Viehzucht betrifft ebenfalls wirkt, damit meine Abwesenheit etwas verwischt wird. In der letzten  Zeit konnte ich nicht mehr so mithelfen wie dies notwendig gewesen war,  Siehe Rodung(?)  in unserer Wild-West Besitzung. Hier stehen wenigstens Bäume !!!

Herzlichen Dank lieber Roby für deine Briefe und einen Kuss für Bomi und dich.

Emile

Liebe Elly !

Dein Brief nr.3 mit Kreuzworträtsel und Bericht von S[...] ging mir am Montag vom 7. Juni zu. Eingang in Monlevade am 6. Juni, Abgabe in Wadgassen am 1. Juni 54

Besten Dank und dicken Kuss.