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Monlevade, den 20. Oktober 1954

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Liebe Elly! Liebe Bomi! Lieber Roby!

Herzlichen Dank für Brief Nr 24 und Brief von Mutter und Bomi. Genau wie Dir, liebe Elly, geht mir auch das Papier aus. Du hast jetzt himmelblaue Burgen gefunden, sehr schön, doch ich kann nur auf Durchschlagpapier von Monlevade zurückgreifen, denn bis Luftpostpapier von Belo Horizonte eintrifft, das kann noch lange dauern. Es darf aber nicht länger dauern, sonst denkst Du ich wäre böse oder krank oder sonst “Quo vadis”.

Doch keines sttrifftriped zu! Ich bin quitsch gesund, gehe auch nicht “Wo jetzt du hin(?)” und weshalb sollte ich böse sein. Gegen die Dummheit kauften die Götter vergebens und wenn ich mir nicht selbst helfe, hier kann keiner mir helfen, es sei denn das Wetter und wer bestimmt das Wetter, wenn nicht Petrus, so Gott.

Gott sei Dank! Am Donnerstag hat es seit Februar hier zum ersten mal geregnet. Gewitterregen, nicht lange, Regenschirm habe ich keinen gebraucht, denn ich stand am Casino und schaute den Wetterleuchten und Regen mit Freuden zu. Leider hat es zu schnell wieder aufgehört. Unser Staudamm hat sich aufgefüllt und ist am Sonntag sogar übergelaufen. Schade für die verlorene Kraft und heute stehen wir schon wieder auf 601,42 m. d.h. vom Meeresspiegel aus gerechnet.

Mit Spundwand von 2 m Höhe erreichen wir einen Wasserstand am Staudamm des Kraftwerks Piracicaba von 602 m. am Montag liefen 17 cm über die Spundwand fort. bei Regenperiode werden die Spundwand Eisen 2 m entfernt und wir arbeiten dann nur mehr mit 600m.

Bei hohem Wasserdrang kann die Sperrmauer abgedrückt werden und das wäre schlimmer wie ein Sturz vom Fahrrad. Wenn Dumont wieder hier erscheint, so werde ich ihn danken für den schönen Dienst, den er mir erwiesen hat, das grenzt schon nicht mehr an Dummheit, denn Dummheit könnte man noch verzeihen.

Am Samstag war hier ein grosses Ereignis. Einweihung des neuen Klubhauses. Die Einladung füge ich diesem Schreiben bei und zwar etwas zugeschnitten, damit das Gewicht nicht so schwer ist. Es war ein schönes Fest mit harmonischem Verlauf. Die Damen alle in Ballkleidern und ich habe viel getanzt. Um 5 Uhr war noch nicht Schluss, doch dann fuhr ich mit drei Brasilianer zur Frühmesse (Sr. Palotta Zahnarzt, Sr. Abron soll eigentlich Abraham heissen, Ingenieur der metallographischen Abteilung sieht aus wie der heilige Aloysius und Sr. Armenio Ingenieur vom starkwerk, wahrscheinlich italienischer Abstammung.). Ungefähr 200 Personen wohnten diesem Feste bei und eine Kapelle 12 Mann hoch von Belo-Horizonte spielte zum Tanze auf. Das Klubhaus liegt bei den Tennisplätzen und der Piscine und das hat acht Jahre gedauert, bis der Bau reif zur Einweihung würde.

Am Montag ging ich dann wieder in Aktion und bei dem hohen Wasserstand stand dann auch sofort das Pech vor der Türe. Die Reservierstr.(?) konnte wegen Bruch einer Kupplung an einem trommelofen nicht walzen, die Drahtstr stand am Dienstag wegen Getriebeschaden an der Teil Schere, doch hier kann gar nichts mich aus der Ruhe bringen und trotz dieser Störungen habe ich Herrn Perit(?) und zugleich allen hostenbacher einen Brief geschrieben, denn in Hostenbach lernte ich die Ruhe auch bei den schwierigsten Situationen zu bewahren. Ich bin hier mit deinem Wünsche nachgekommen und

Bin ich auch nicht viel zu erzählen wusste, so nehme ich doch an, das Herr Perit(?) so manches zwischen den Zeilen lesen wird, was ich nicht schreiben kann.

Vorsicht ist hier am Platze, denn der Geheimdienst arbeitet auch bei der ARBED gut und vieles darf man nicht zum Besten geben. Man muss die Toten ruhen lassen.

Eines steht jedoch fest. Die 35 Familien, welche in den Jahren 1952 und 1953 hier abgewandert sind haben für die Belgo Mineira so gut propagandistisch zu Hause gearbeitet, dass es der Arbed schwer fallen wird noch einen Luxemburger für die Belgo Minera zu verpflichten und da darf ich nur vorsichtig sein. Dennoch habe ich die Schwierigkeiten der Hausfrau erwähnt, da wegen Mangel an Geschäften die Einkäufe so schwer sind. Mit einem geringen Gehaltzuschuss wären 3/4 dieser Familien heute noch hier und es würde uns allen viel besser gehen. Es ist besser eingearbeitete Kräfte festhalten, denn neue Fachleute brauchen zum Einarbeiten eine gewisse Leerlaufzeit und zum Einleben noch viel länger. Schon bin ich wieder ausgerutscht. Vorsicht!

Herrn Fischer und Herrn Cleirni(?) werde ich später schreiben.

Der Wald zeigt nach den Bränden grosse Breschen, Doch hier in Brasilien wächst alles sehr schnell. Bald wird wieder alles grün sein, denn die noch stehenden Pflanzen zeigen nach dem Regen ein saftiges Grün.

Liebe Elly! Welch eine Fülle von fragen, doch ich will versuchen Deinem Wissensdrang zu folgen und so möchte ich zunächst neben den Turnscheiben an den K[...] erinnern, wenn ich noch an meine Missgeschick denke als ich den Trolley auf falsche Haltestelle schnappen sollte. Mein blödes Gesicht und Dein Verdross, daran denke ich noch lange.

Die Fahrt nach Belo Horizonte findet in diesem Monat nicht statt. Herr Engel wird morgen an einer Zahnfistel operiert und durch diese Behandlung wird die Fahrt erst anfang nächsten Monats gestartet. Bis dahin wird Herr Fohrmann auch aus Europa zurück sein, damit ich die Frage der Möbel klären kann. Mit Aero-Taxi fahren wir nicht. Es kommt nur Auto oder Zug in Frage.

Portugiesische Sprachkenntnisse?

Ich bin der Ansicht, dass das Studium Roby so stark belastet, dass es falsch wäre dieses Studium als zusätzliche Belastung aufzunehmen. Wenn Roby hier wird, dann sind die Kenntnisse in 6 Monaten leichter zu erwerben, denn im Umgang mit Brasilianern geht die Erlernung der hierige Umgangssprache sehr schnell vor sich.

Wir würden und Vorwürfe machen, wenn durch die Mehrbelastung das Wesentliche im Studienprogramm beeinflusst würde. ich bitte deshalb von den geplanten Stunden bei Herren Stich(?) abzusehen. 

Gardinen? Nähmaschine?

 Bitte so wenig wie möglich mitbringen. Nichts verkaufen. Eisschrank, Klavier etc. Alles festhalten! Verleihen wäre noch in Ordnung, aber bitte nicht verkaufen.

 Wir haben für diese Artikel gearbeitet und ich möchte nichts davon hergeben. Ihn schon sechs Jahre bauen wir uns wieder unser Heim mit dem zusammen, was wir uns so bitter erarbeitet haben. Welche schwere Stunden habe ich in Burbach gehabt und mit diesen Groschen wurde alles aufgebaut. Kein Stück von allen diesen möchte ich vermissen und erst recht nicht in fremden Händen sehen, denn ich halte an diesen Sachen krampfhaft fest. Der Eisschrank ist die beste Ausführung, welche es in diesem Artikel gibt. Jahre kann er stehen und verliert nicht und wenn er einmal versagt, dann stellt man denselben auf 24 Stunden auf den Kopf und

er geht wieder wie am ersten Tag. Ein Spezialist gab mir hier diese Auskunft.

Ich werde Dir zu gegebener Zeit eine Liste senden, welche alles führt, dass wir hier brauchen, doch bitte nichts verkaufen.

Kino Monlevade!

Neben Klub ist das Kino die einzigste Stätte, welche von der Bevölkerung von Monlevade aufgesucht wird.

Das Kino ist geräumig, doch Flöhe gibt es in diesem Bau so viel wie Zuschauer. Es ist dies hier die grosse Plage zu Hause hörte man nur von Schlangen und Skorpionen. Beide Sorten habe ich noch nicht begegnet, doch Flöhe.

Jeden Tag ein Floh und es ist noch kein Sommer.

Das nächste sind Baratten, zu Hause Kackerlacken genannt.Harmlose Tiere mit dem Unterschied dass die Biester hier auch fliegen können und das Haus kann noch so sauber sein, die Biester fliegen Nachts zum Fenster herein.

Dann kommen die Karabatten, wie bei uns die Zecken. (Barry weiss hierüber Bescheid.) Bei und Eschkarabatten, doch dieses Viehzeug gibt es hier von Staubkorn Grösse ab und Gott sei Dank mir am Gesträuch hängen.Weitere Plage sind die Sandflöhe (Bichon de Pé) genannt. dieses Biest setzt sich am Fuss, Zehen mit Vorliebe unter die Zehennägel fest und legt dann Eier. Nach ein paar Tagen bildet sich eine entzündete Stelle mit einem schwarzen. Punkt oben drauf. Man muss mit einer Nadel rund um diese Stelle die Haut durchstechen und einen kleinen Sack mit den Eiern herauszusuchen. Die grösste Plage für Hunde und Vieh auf der Weide ist eine Fliege, welche über dem Tier fliegend Eier legt. Das Ei schlüpft aus und die Made frisst sich in das Fell des Tieres. Schnaken gibt es auch!

Bis jetzt haben nach 5 Monaten jedoch die Flöhe mir am meisten zugesetzt. Alle anderen Exemplare ausser Schnaken und Baratten sind mir noch als Kostgänger nicht

begegnet.

Am 28 Oktober feiert ihr zusammen Roby’s Geburtstag und an diesem Tage werde ich besonders in Gedanken bei euch weilen. Ich nehme an dass mein kleines Geschenk bis dahin eingetrudelt ist. Dann Rauch einer brasilianischen Zigarette werdet ihr einen kräftigen Schluck auf Roby’s weiteres Wachsen, Blühen und Gedeihen (Virat! Floreat! Crescat) genehmigen und ich bin in diesem Augenblick ebenfalls im trauten Kreise d.h. in Gedanken bei Euch. Möge auch dieses Studienjahr mit Glück beschieden sein und so Gott will werden wir dann in einem Jahr bei guter Gesundheit hier in Monlevade die Geburtstage von Bomi und Roby feiern können und hoffentlich wird die Umstellung Hostenbach-Monlevade nicht zu schwer.

Lieber Roby!

Noch einmal wiederhole ich meine besten Wünsche zu Deinem Geburtstage. Lass es Dich nicht verdriessen, dass wir nicht Autobesitzer sind, oder dass du nicht wie Dein Kollege Vich sich ein persönliches Auto besitzt. Im Leben alles zu gegebener Zeit. Wenn in der Jugend alles geboten wird, dem kann im späteren Leben nichts Neues mehr begegnen. Das Leben verliert den Reiz und ist nicht wert gelebt zu werden. Deine Mutter und ich, wir haben schwere Jahre hinter uns und Du warst noch so klein, Du konntest diese Schwere nicht erkennen. Unser Lebenskampf war und ist auch heute noch schwer doch ehrlich. In unserem ganzen Streben steht als Endziel nur Du. Du kannst stolzen Hauptes durch das Leben gehen und wir haben nur einen frommen Wunsch. Bitte mache uns keinen Kummer. Die besten Freunde in allen Lebenslagen bleiben die Eltern und wenn Du Dich einmal nicht mehr Herr der Lage fühlst, dann frage mich.

Herzlichen Gruss und Kuss für Euch alle und einen extra dicken Kuss für dich liebe Elly vom

Emile