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Monlevade, den 30. November 1954

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Liebe Elly! Liebe Bomi! Lieber Roby!

Herzlichen Dank für den Brief Nr 30. Wenn ich auch nicht in Hostenbach die Namenstage mitfeiern konnte, so freute mich dein Bericht, liebe Elly und ich danke Dir von Herzen. Charles hatte sich nach Hostenbach verirrt. Hierüber freue ich mich ganz besonders und hat das St Nikolaus und Weihnachtsgeschenk für Roby mitgebracht.

Zu Hause ist es kalt geworden und das hört sich hier so komisch an bei +30° und mehr. Bis jetzt haben wir wenig Regen gehabt. Es genügt jedoch dass das Stauwerk Piracikaba [Piracicaba] überläuft.

Tonnen gibt es diesen Monat nicht mehr. Ich schätze 10700 und diese Tonnage müsste regelrecht zusammengeklaut werden. Besonders die 350er St. ist sehr schlecht mit Personal bestellt, hier fehlt es aber auch an allem. Das Trauerspiel der letzten Tage hat mir schwer zugesetzt, man sieht dies auch schon an meiner Schrift. Heute Abend werde ich von Onkel Schubert seinen Kristallen schlucken. Auch die viele Laufern(?) in Belo hat sich nicht besonders günstig ausgewirkt. Durch den Regen hatte ich Gummi-Überschuhe eingekauft und diese haben über die Fussspanne etwas zu fest gezogen. Es ist doch schlimm, dass ich nicht mehr der Sportsmann bin, wie früher. Einige Tage Alkohol-Umschläge und Hirudoid(?) so wird die Schwellung wieder vorbei sein.

 Am Samstag war ich in Sabarah [Sabara] auf dem Fest von

Herrn Scharlé. Ich konnte als Betriebs-Chef hier nicht durch Abwesenheit glänzen. Zunächst galt es daher einen Schuh zu opfern. Mit dem Rasiermesser ging dies glänzend. Doch nun der Reisebericht, damit ihr einen Begriff bekommt, was Brasilien ist. um 12:30 Uhr war die Abfahrt mit dem Schienen-Auto vorgesehen und 6 Herren und drei Damen waren pünktlich am Bahnhof. Ich möchte hier noch erwähnen, dass es in Brasilien keine Damenhüte gibt. Jeder Dame mit Hut laufen sämtliche Kinder und Hunde nach und das mit grossem Hallo. Hüte für Brasilien braucht Ihr Euch nicht zu besorgen. Es gibt gegen Sonne und Regen nur ein Regenschirm oder ein Auto.

Am Bahnhof erfuhren wir, dass der Schienen-Zeff mit 1 Stunde Verspätung eintreffen würde. Zurück zum Casino. Aus der 1 Stunde wurden 3 und der Start erfolgte 4:15 Uhr - 4:30 Uhr, d.h.  16:15 Uhr -16:30 Uhr. Oh! Schreck! jetzt ging die Höllenfahrt los Punkt mit 40 bis 45 km in die Kurven, Spurweite 1 m bei einem Schienenstrang wo nur das Hinsehen genügte um das Gruseln zu verspüren und mit dem Effekt besoffen zu sein, bew[...]ken kann man hierbei schon nicht mehr sagen. Fahrt bis Sta Barbara und hier wurde uns mitgeteilt, das hinter Baron Cokais ein Zug entgleist wäre und dass wir nicht bis Sabarah [Sabara] durch können. was machen? Telefonisch wurden zwei Wagen in Sabarah [Sabara] angefordert. Wir fuhren bis in die Höhe der Entgleisung. Es war Nacht geworden. Etwa 20 m von dieser Stelle lief die Lands(?) vorbei und hier Fasten wir die Autos ab. Höllentempo eineinhalb Stunden bis Zauberer. Unterwegs noch Reifenwechsel und wir landeten um 20:30 Uhr anstatt wie geplant 18:00 Uhr.

Anwesend waren 250 Personen (Damen ohne Hut sehr viele, mit Hut keine) soviel Fressalien für Selbstbedienung sah ich


 

noch nicht beieinander. Mit zwei kleinen Haffen(?), zwei Flaschen Bier und vier Whisky war mein Bedarf gedeckt. Ich traf da selbst Heinen Albert, welcher als Pionier hier in Brasilien 1925 landete und heute eine Zuckerfabrik der Belgo Mineira leitet. Mit dem Namen ist eine ganze Geschichte verbunden, welche ist später erzähle. Ich teilte 1920 mit Albert Heinen in Aachen in der Garm n 4 bei Frau Becker ein Zimmer und so nach vielen Jahren treffen wir uns wieder. H. ist Konsemester von Herrn Scharlé und wir unterhielten uns sehr lange zusammen. Herr Scharlé war sehr nett.

Um 2 Uhr start nach Monlevade und Ankunft daselbst 6 Uhr in der Frühe.

Die Landschaft ist trostlos, nichts wie Esslinger Berge doch Wälder keine und Kulturen noch weniger. Dann und wann sieht man einige Kühe in der Landschaft Weiden, welche bei der Trockenheit so abgemagert sind, dass dieselben wie Skelette aussehen und jetzt nach dem Regen finden die Tiere wieder dann und wann einen Büschel Grünzeug, das ist Minas-Gerais und so ist es von Rio aus bis zum Rio-Doce.

Ich schliesse nun für heute meinen Brief und wünsche ein hohes Nikoläuschen, nehme auch an, dass das eingeschriebene Packet diesen Gedanken in sich birgt.

Recht schönen Dank, liebe Elly!

Noch recht viele Grüsse und küsse an dich und Bomi und Robbie.

Schönen Gruss an Marga!

Emile