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Monlevade, den 2. Dezember 1954

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Liebe Elly! Liebe Bomi! Lieber Roby!

Die Schilderung über Reise und fest nach und in Sabara habt ihr euch bereits zu Gemüte geführt, wenn dieser Brief eintrudelt und ich füge nur noch hinzu, dass von den Festteilnahmen sehr viele krank wurden. Die Erkrankungen waren ziemlich schwer und ein Herr 63 Jahre alt von Sabara scheint sogar an den Folgen gestorben zu sein. Kein Wunder, denn diese riesige Menge es waren, dann diese Temperaturen, dass sich Fisch, Kamerone und Hummer sowie anderes Zeug bei dieser Hitze nicht lange aufbewahren lassen, das ist verständlich. Von Sao Paulo waren alle erkrankt, von Rio über die Hälfte, in Sabara muss das ganz schlimm gewesen sein und in Monlevade hatte es vier gepackt. Brechen und Durchfall waren die Folgen der verdorbenen Esswaren und dabei kann man dem Gérant nicht einmal Vorwürfe machen.

Ich war von vornherein misstrauisch gegen diese Berge Fressalien, so schön auch die Aufmachung für das Auge war. Hier in Brasilien mit Esswaren kann man nicht vorsichtig genug sein und mit dem Trinkwasser ist es genau so.

Bei Familie Engel haben sich die ersten beiden Schlangen eingestellt. Die letzte war eine Koralle, sehr giftig, doch eine grössere Plage sind die Ameisen. Diese Biester in allen Grössen sind alle Kulturen und sind nicht zu vernichten. Eine Sorte zerschneidet das grüne Laub und mit Vorliebe Laub von

Rosenkrönchen. In einer Nacht steht die schönste Hecke Karl ohne das kleinste blätterchen und die Biester tragen das ganze läuft unter grosse Entfernungen in den Stock, nicht etwa zum Fressen, nein, nur um die Feuchtigkeit im Bau zu regulieren.

Das gekaufte Schlafzimmer ist angekommen, ebenfalls der Kochherd und alles steht bei Familie Engel bis der kleine Verein die Fahne hochzieht.

Nun möchte ich noch einen kleinen Bericht über die fahrt mit dem Dampfer “Lavoisier” geben, die Fahrt über das grosse Wasser, welche ab Lissabon 17. Mai nach 12 Tage bis zum 28.Mai dauerte. Ein komisches Gefühl während 11 oder 12 Tagen nur Wasser um sich zu sehen und selten am Horizont ein Schiff.

Das Meer war stets flach und ich wusste nicht, dass jemand krank war, denn Fische wurden keine gefüttert. Es wäre auch schade gewesen, denn die Küche des Lavoisier brachte solch herrliche Sachen, dass es eine Kran war bei Tisch eine Wahl zu treffen. Man kann die, soweit ich jetzt erfahren habe, jedoch nicht von allen Schiffen behaupten. Der Küchen-Chef vom “Lavoisier” war ein Künstler in seinem Fach. Die Besatzung war sehr nett, höflich und in jeder Form “Franzose”. Klima-Anlage hatte die Bar und das Esszimmer. Ihr versteht also, dass beim Näherkommen an die gemässigte Zone unser Lieblings-Aufenthalt die Bar war.Es mag auch möglich sein, dass wir von einer Seekrankheit nicht verspürten, denn Bier und Aperos tranken wir zur Genüge.

 Die schlimmste Tortur war die Vorschrift ab Lissabon die Mahlzeiten, besonders abends im Hoch-Ornat zu genehmigen.In der Kantine war es sehr heiss und

Wenn man das Hemd Anzug und dann erst die Schuhe, so konnte man das Hemd ausdrehen und dies war der Fall selbst wenn eine Dusche vorher für die nötige Abkühlung gesorgt hatte.

18 Uhr abends begannen dann auch schon die Festlichkeiten. Cocktail de Bienvenue au Bar und nach dem Abendessen “Tanz”. bei einem Völkergemisch 3 Luxemburger, 2 Belgier, Brasilianer, Argentinier, Deutsche, etc, da kann man sich denken, dass hier nicht gleich eine richtige Tanz Stimmung aufkommen kann, doch eine ältere Dame Argentinierin doch Abstammung Französisch vermittelte und besorgte die wärmere Atmosphäre.

Dienstag 18. Einschreiben zu den Turnier-Spielen Canasta - Kartenspiel - Ping-Pong ist bekannt - Deck-Tennis mit Gummiring - Golf auf Deck Shuffle-Board = Schreiben mit Griff, welche über den Boden geschoben werden. Tauben schiessen. Tonscheiben welche mit Gewehr im Flug zerschossen werden. Letzteres schiessen kostet viel Geld, da jeder Schuss bezahlt werden muss.

Am Abend desselben Tages Kino.

Mittwoch 19. Loto-Spiel. jeder kauft sich eine oder mehrere Karten mit Nummer. Genau wie kleine Kinder. Die Nummer werden vom Kommissär aus einem Sack gezogen. Hat man die aufgerufene Nummer auf einer Karte, so wird diese Nummer mit einer Bohne zugedeckt. Die erste Karte, welche sämtliche Nummer verdeckt hat gewinnt den Erlös der gekauften Karte, abzüglich ein Betrag für “Profit des oeuvres de Mer” eine Unterstützungskasse für in Not geratene Seeleute oder deren Familie

Donnerstag 20 Mai. beginn der Turnierspiele und Abends Tanzbein schwingen.

Jeden Mittag habe ich 2 bis 3 Stunden im Bett gelegen.

Freitag 21 Mai. Kino

Samstag 22 Mai. Pferderennen

Sechs Holzpferdchen werden auf vorgezeichneter Bahn geschoben. Jede Bahn hat Felder mit Schikanen. Zwei Kinder würfeln. Ein Würfel bezeichnet das Pferd und der andere Würfel die Zahl der Felder, welche das betreffende Pferd durchlaufen darf.

Die Pferde werden versteigert und der Besitzer des gewinnenden Pferdes streicht den Wert der sechs Pferde mit Abzug von Prozenten für “Oeuvre de Mer” ein.

Frau Engel und ich, wir haben bei dieser Gelegenheit ein Pferd für 2500 ffrs gesteigert und ~ 8000 ffrs gewonnen pro Nase 4000 ffrs.

Sonntag 23. Äquator-Taufe

Morgen: Lesen einer Messe auf dem Schiff.

Mittags: Taufe. Es wird keiner zu dieser Prozedur gezwungen. Aufmachst: Neptun mit Nixe und Barbier. Einseifen mit Mehlkleister, eine Hand voll Salz in den Mund und Rutsch über die schiefe Ebene ins Bad. Von dieser Prozedur das unangenehmste küssende Füsse von Neptun, dabei sind die Füsse mit Honig verschmiert und werden eine durch das Gesicht gerieben. Den bin ich gut entgangen, da ich nur die Bewegung des Küssens nimmte und durch kopfwendung den Fettwanst von Neptun die Freude der verschmierung meiner Fassade entzog.

Viele Schiffe haben die Äquatortaufe abgeschafft. Auf anderen Schiffen besonders Holländer geht diese Taufe nicht gerade geschmackvoll vor sich.

Abends. Tanz mit Kostümfest eine Art Kappensitzung

Ich muss schon sagen, dass die Franzosen hier richtige Kavaliere waren und der Kommissar freute sich richtig, dass ich bei diesem Tauffest mitmachte.

Montag 24. Verkauf von Tombola-Losen. Abends Kino

Dienstag 25. Tanz. Mittwoch 26. Kino

 Donnerstag 27. Abschieds-Essen und Abends Diplome für die Sieger in den einzelnen Turnieren mit Preisen. Diplom für Täuflinge. Ziehen der Tombola 

Freitag 28. Mai. Ankunft in aller Frühe in Rio.

Ob meine Ausführungen den richtigen Begriff von solch einer Schwitzkur gegeben haben, das kann ich nicht sagen. Am Äquator hat es auch schon etwas Regen gegeben.

Immerhin bleibt dieser Brief ein Ersatz für den verlorenen Bord-Brief, vielleicht etwas nüchterner, da viele Einzelheiten nur noch verschwommen im Gedächtnis vorhanden sind.

Ich schliesse für heute mit einem dicken Kuss für dich liebe Elly und Küsse auch an Bomi und Roby

Emile

P.S. Mir fällt noch etwas ein, was einer Erwähnung bedarf. Meine Fahrt in 1. Klasse war bei schönem Wohnraum angenehm, während die Emigranten im Bauch des Schiffes unter schwereren Bedingungen die Überfahrt absolvierten und bei Ankunft nicht wussten, welchem Schicksal entgegen gingen. Wenn bei mir zu dieser Zeit vieles ebenfalls ein grosses Fragezeichen war, so wusste ich doch wohin es ging.