Monlevade, den 12. Dezember 1954





Liebe Elly! Liebe Bomi! Lieber Roby!
Heute Sonntag Nachmittag 16 Uhr. Mein Mittagsschläfchen eben beendet, dennoch fühle ich mich, wie Blei in den Gliedern. Der Tag begann mit einem Bad nach 12 Stunden Schlaf. Um 9 Uhr mit Herrn Kloos zur Messe. Frühschoppen mit 2 Flaschen Coca-Cola und 2 Flasche Mineralwasser. Tagsüber darf man weder Bier noch Wein trinken. Mittagessen bestehend aus zwei Scheiben Schinken, zwei Stücke Huhn, ein Eis und 2 Kaffesinho [cafezinho]. Ich glaube dass ich den Kaffee auch noch lassen muss.
Die ganze Woche war das Wetter herrlich. Wenn die Sonne anfangen wollte zu drücken, dann gab es Regen so dass es sich immer wieder etwas abgekühlte. Heute drückt der Stern jedoch wieder recht ordentlich. Kleine Unterbrechung, denn ich war eine Flasche Wasser fasse. Es ist durstiges Wetter und das Wasser vom Hahn ist nicht zu geniessen. Wie ist dies so herrlich zu Hause, wenn man einen ordentlichen Trunk vom Hahn zapfen kann und zu Hause weiss man dies nicht zu würdigen. Das Wasser was wir trinken soll keine Krankheitskeime mitführen, doch wer den “Jaqui” (Bach) gesehen hat, welcher das Wasser bringt, der zieht vor Mineralwasser zu trinken.
Der “Jaqui” läuft im offenen Kanal rund um den höchsten Hügel von Monlevade zum Werk. Ein Teil des Wassers wird filtriert und mit Chemikalien zu
Trinkwasser umgewandelt und der Überschuss dient im Werk als Kühlwasser. Jeder Schluck erinnert an Trier, wohl nicht so stark, im Geschmack nach Chlor, doch auf die Dauer dasselbe. dem Wasser fehlt jede Spur von Kalk. Es ist dies auch ein Hauptgrund, weshalb die Einwohner vom Minas so schlechte Zähne haben. Man muss schon Kalk einnehmen um das fehlende im Wasser zu ersetzen.
Am Dienstag ist hier grosser Tam-Tam. Das Werk wird wahrscheinlich stehen. Für das Volk sind eben in der Molkerei 60 Fässer Bier abgeladen worden.
Das Innere der Kirche sieht herrlich neu aus, sogar die Lampen vor der Kirche (Treppenbeleuchtung) sind mit Silberbronze angestrichen. Herr Scharlé ist nach dem Tode seiner Frau ein grosser Katholik geworden und trägt sogar in Gold ein Marienmedaillon am Hemd linke Brustseite.
Frau Scharlé war zu Lebenszeiten eine fantastisch fromme Frau. Über den Ablauf der einzelnen Feierlichkeiten werde ich später berichten und aufgezählt habe ich dieselben ja bereits in vorhergehenden Brief.
Die Damen bereiten die grossen Toilettenkleider vor, doch leider ist der Friseur von Bello nicht gekommen. Dies alles erfährt man so am Rande, denn Monlevade ist klein.
Im Kasino wird schwer gewühlt, es klopft, hämmert, es wird gestrichen und gewaschen, aber keine Heinzelmännchen und alle sind schwer am schwitzen.
Ich arbeite nicht und wie schwitze ich, das Papier, wo ich mich mit Euch unterhalte ist nass und ich bin froh, wenn der nächste Bogen kommt.
Schlagen wir deshalb um!
Mein Sekretär Herr Speller, Vater von drei Kindern mit einer Brasilianerin verheiratet, fliegt am 18. Dezember von Rio ab nach Paris. (Ich habe vergessen zu erwähnen, dass ein Junge von 11 Jahren gestorben ist, es war der älteste, ein stolzer Junge und die Fotografie des
Jungen steht immer auf seinen Pult.)
Speller ist seit vielen Jahren hier in Brasilien und sehr gesprächig und noch viel stärker hilfsbereit. Ich habe nun Herrn Speller für Dich liebe Elly und für Bomi ein Weihnachtsgeschenk mitgegeben, was in Paris per Einschreibebrief nach Hostenbach gehen soll. Hoffentlich kommt mein Geschenk auch an, das ist mein frommster Wunsch.
Wenn dem nicht so sein soll, so darf ich mir kein Bein ausreissen. Es ist das erste Mal, dass ich mich auch an ein schenken zu Weihnachten wage.
Man soll nicht bekanntgeben, was geschenkt wird und so tue ich dies auch nicht, doch sollte meine Gabe nicht ankommen, so möge die Mitteilung dass ich daran gedacht habe auch eine Freude bereiten.
Dass ich an Weihnachten nicht bei Euch sein kann ist ja mehr wie selbstverständlich und dennoch bin ich bei Euch. ich werde Weihnachten würdig feiern Und wenn es Euch und besonders dir liebe Elly in den Ohren klingt, so wünsche ich ein frohes Weihnachtsfest. Den Weihnachts-Abend werde ich bei Familie Engel verbringen und wenn Ihr frohe Lieder am Weihnachtsbaum anstimmt, so denkt, dass ich dasselbe nur vier Stunden später tue. Glocken, Schnee, Zapfen, Spitze, sogar eine Krippe sind besorgt Punkt dies alles kriegt man in Belo, sogar in Monlevade
zu kaufen.
Mit meinen Wünschen zum Weihnachtsfest füge ich auch Wünsche zum neuen Jahre bei. Möge das Jahr 1955 uns gesund erhalten und Roby Erfolg haben, damit die kleine Familie hier in Brasilien neu aufgebaut werden kann und nach einem Jahr der Trennung in Rio de Janeiro Wiedersehen gefeiert werden kann.
Ich füge meinem Schreiben noch einen dicken Kuss
Für dich liebe Elly, mein Weihnachtskuss bei und denke an das Geschehen in der Krippe, denke an das grosse Leid dieser Familie vor 1955 Jahren, so schlecht hat es uns noch nicht gegangen und wir wollen Gott bitten, dass Er uns diesen Kelch nicht reicht.
Grüsse und Küsse für Bomi und Roby.
Mein Wunsch ist es, dass mit Marga ein Weihnachtsfest voll Freude und Zuversicht gefeiert wird, genau so, wie wenn ich dabei wäre und das nur mit Weihnachtsliedern und mit Sekt ohne Trauersalamander.
Ich werde die Ohren auch nicht hängen lassen und bei euch sein. Tanne und Schnee wird es jedoch hier nicht geben. Ersatztanne mit Schnee und etwas Fantasie.
Alles Gute und frohes Weihnachtsfest.
Emile
Adresse von Herrn Speller
Emilee Speller
Rue Schrobilgen 48
Luxemburg
Telefon ?
Bitte wenden:
Herr Speller wird an Weihnachten für zwei Monate zu Hause bei seiner Mutter sein. Die Schrobildgen Str liegt in der Verlängerung der Bel-Air Str und Frau Speller wohnt vis-à-vis dem “Institut St Jean”. In der nähe wird noch eine neue Kirche gebaut.
Der Bruder von Herrn Speller ist Pharmazeute und führt die Apotheke “Pits” Rue du Boucher
Ob Vater Speller noch lebt, das weiss ich nicht. Vater Speller war hoher Offizier in der luxemburgischen Armee.