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Monlevade, den 17. Dezember 1954

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Liebe Elly! Liebe Bomi! Lieber Roby!

Die Feierlichkeiten zu Ehren der 25 jährigen Tätigkeit von Herrn Scharlé sind vorbei. Ich glaube Herr Scharlé ist auch froh, dass er dies alles hinter sich hat, denn reden uns noch einmal Reden halten und über sich ergehen lassen, dies ist sehr anstrengend und Herr Scharlé sagte mir persönlich: “Du kennst mich ja, ich halte nicht auf diese grossen Feiern und ich bin froh, dass es zu Ende geht.” An und für sich waren die Ausgaben weit nicht das, was vor zwei Jahren zu Ehren von Herrn Louis Ensch zu notieren war und die Brasilianer, welche Feste lieben, haben auch gleich hervorgehoben, dass dieses Fest, weit hinter dem von Herrn Ensch zurückliegt. Nach meiner Ansicht kam jeder auf seine Rechnung und in Belo, Sabara und Monlevade waren grosse Festlichkeiten, welche ich mir nicht schöner denken kann. Bei uns zu Hause gab es so etwas nicht, doch scheint dies hier notwendig und dies zu beurteilen kann ich nicht, denn ich bin noch ein Gringo.

Die Abwicklung des Festes war folgende. Ich füge übrigens einen Zeitungsausschnitt bei, wo alles in Portugiesisch genau notiert ist und so könnt ihr euch das Ganze noch einmal zu Gemüte führen.

Am Montag regnete es, wie mit Eimern gegossen und wir dachten schon, Oh weh! Was kann das werden?

Dienstag Morgen herrliches Wetter. Am Montag Abend

siedelte ich um, da die Kasino-Räumlichkeiten für Gäste benötigt wurden. Die Direktion hatte mich jedoch vorher gefragt, ob ich bei Familie Engel überkommen könnte. Da ich daselbst ja unser Schlafzimmer zu stehen hatte und Familie Engel mir Gastfreundschaft zusicherte, so stand dem nichts im Wege und ich schlief zweimal in meinem, unserem Bett, gross wie ein Tanzsaal, nur etwas dünn gedeckt. Ich werde dasselbe Zimmer noch einmal kaufen für Roby, allerdings in anderer Farbe. Für Decken und Wäsche musst Du allerdings sorgen, liebe Elly! Bomi und Roby haben dann zwei gleiche Zimmer. Esszimmer und Schlafzimmer in Jacaranda habe ich in Sabara bestellt. Küche? Hier besitzen wir einen Kochherd und einen Eisschrank, fehlen noch die Töpfe und was da hinein kommt? Hier in Monlevade ist die Beschaffung von Lebensmittel, also was in die Töpfe hinein soll, ein grosses Problem und alle Hausfrauen haben es schwer und möchten von hier abhauen. Ich ja übrigens auch, doch so schnell geht das nun leider nicht. Die 300.000 To Roheisen d.h. 250 - 260000 To Stahl im Jahr, die muss ich schon einmal fertig bringen und dann werden wir wieder abhauen.

Also war wider erwarten Dienstag Morgen schönes Wetter. Um 8 Uhr feierliche Messe vom hoch(?) Herrn Bischof gelesen. Ein alter Herr mit einem Riesen-Korpus, gesegneter Leibesfülle brachte die Kapläne so richtig zum Schwitzen und wir schwitzten mit. Die Musikkapelle spielte nach der Messe und hatte bereits vor der Messe aufgespielt. Zu Fuss zum Kasino und eine Flasche Bier auf die Schwitzkur waren eine gute Erholung.

Um 10 Uhr zum Markt um die Ankunft des Herrn

Juscelino Kubitschek mit Herrn Scharé und anderen Grössen zu erwarten.

Über eine Stunde standhaftes Ausharren, wie die Hühner oder Enten von einem Bein auf das andere und dann kam der kritische Augenblick der Ankunft des hohen Gastes.

Solch eine Knallerei mit Fogetschen d.h. Raketen mit 3 Donnerschlägen habe ich noch nicht erlebt. Es war richtig unheimlich. Bitte die Rede in dem Ausschnitt lesen, da ich dieselbe nicht anhören konnte. Ich war müde vom langen Stehen und die Zahl der Zuhörer, war so schwach, dass ich mich schämte und dies trotz freiem Arbeitstag, welcher bezahlt wurde. Mangel an Organisation!

Start mit Jeep nach Andrade!

Besichtigung der Stelle wo die drei Eukalyptus umgehauen wurde. Erinnerungsplakette an den Tag der ersten Ernte der vor 6 Jahren gepflanzten Bäume. Churasco! Was ist das? Fresserei! Über Holzkohlen am Spiess gebratenes Fleisch. (Schwein. Rind. Huhn. Kammer zu mit Reis, Bohnen, Bier und Schnaps sogar Champagner. Herrliche Aussicht von Andrade, schönster Flecken der ganzen Gegend.

Wieder Toast-Reden und dann nach Hause, wo ich mich um vier Uhr in mein Bett verpflanzte. Mein Bein ist wieder 100% in Ordnung und ich wollte doch ausruhen, damit ich am Abend beim Tanz nicht als Spielverderber fungieren sollte.

Um 6 Uhr abends Hurenregen ,es hat gegossen in Strömen und wir mussten um 10 Uhr einen Wagen bestellen um 250m zum Klub gefahren zu werden.Zu Fuss gehen war bei dem Regen nicht möglich.

Ab 12 Uhr Tanz. Ich zögerte lange um mich am Tanzen zu beteiligen, doch alle Damen waren mit einigen Ausnahmen in Ballkleidern erschienen und und wenn ich doch nicht gut sehen, dass so viele Damen als Marier Mümchen(?) sassen und so habe ich dann auch noch feste den Kavalier gemacht.

Mit diesem meinem Bericht schliesse ich die Festperiode und gestern Abend dauerte der Dienst mit Herrn Direktor Hein bis abends 21 Uhr.

Meine Weihnachtswünsche habe ich im vorhergehenden Briefe warm niedergelegt und ich erinnere dieselben hiermit indem ich noch frohe Weihnachtswünsche mit einem dicken Kuss für Elly und Küsse für Bomi und Roby zufüge.

Alles Gute und wir lassen den Kopf nicht hängen. Erst recht nicht, da ja der Tag des Wiedersehens immer näher rückt.

Beste Weihnachts- und Neujahrsgrüsse und Wünsche für Marga.

Emile

P.S.. I De Barry kritt och e puer Kräkercher!

P.S. II der Zeitungsausschnitt ging nicht mehr in diesen Brief, derselbe folgt in getrenntem Brief

Emile