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Monlevade, den 9. Januar 1955

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Liebe Elly! Liebe Bomi! Lieber Roby!

 

 heute Sonntag. Am Kaffeetisch kam Herr Klos zu mir und teilte mir mit, dass am Samstag auf Nachtschicht die Rev. Str. um 3 Uhr zustellen musste. Am Drehofen-Motor ist eine Spule verbrannt eine Reserve-Spule soll laut Inventur vorhanden sein, doch bis 9 Uhr wurde dieselbe noch nicht gefunden.

 Wir gingen zusammen zur 9 Uhr Messe. Der Stern drückt schon unheimlich, denn wir sind jetzt in dem sogenannten “Veraniko”Soll heissen kleiner Sommer oder der “Altweibersommer”. Dauer 14 Tage und dann Februar, März soll es wieder regnen.

 Bis jetzt haben wir 400 mm Regen für diesjährige Regenperiode. Im Vorjahr waren es für dieselbe Zeit 600mm. Im Januar, Februar und März 1954 hat es jedoch kaum geregnet. Wir wollen deshalb abwarten, was es in diesem Jahre noch als Regen gibt.

Nach dem Messegang spazierten wir hohe Treppen abwärts zurück zum Kasino und stärkten uns mit Coca-Cola-Mineralwasser, dann ging es mit José Maria einem jungen Brasilianer im Jeep zur Piscine. José Maria verlässt jetzt die Cia und arbeitet weiter im Strassenbau bei seinem Onkel, in eigener Firma. Er hat jetzt genug bei der Gesellschaft gelernt und so ist es mit fast allen jungen einheimischen Ingenieuren, nachdem die Lehrzeit vorbei ist, dann wird ausgepickt.

Bei belgo Mineira ist Hochschule für Ausbildungen jeglicher Art, aber nicht nur für Intellektuelle, sie ist auch die Fachschule zur Ausbildung für Spezialisten im Handwerk: Drea, Walzer, Maschinisten etc und so einer sich stark fühlt, dann pickt er aus.

Die Ursache liegt einmal in dem Verlangen nach der grossen Stadt und dann im Verdienst.

Fachkräfte werden hier gesucht und das Angebot im Verdienst bei Fremden Firmen so stark, dass die B. M. Diese Leute nicht festhalten kann, ohne die ganze Lohnskala über Bord zu werfen.

Hier kann nur ein System Besserung bringen und das ist Akkord-Arbeit auf der ganzen Linie. schon wieder am “Fachsimpeln”.

Bleiben wir bei der “Piscine”.

 schon wieder Durst! Eine Agua tonica mit Mineralwasser. Rock aus. Ich bin der einzige von ganz Monlevade, der noch einen Rock mitschleppt. Weshalb? Ich bringe das viele Zeug ohne die Taschen in meinem Rock nicht unter.

Beschaulich im Herren- Damen- und Kinderzirkel sitze ich am runden Tisch und schaue dem Treiben der vielleicht 15 Badenden Männlein Weiblein und Kindern zu und denke an meine lieben in Hostenbach. Was hat es in den letzten Tagen zu Hause gegeben?

Am 7 Gedenktag an einen 7 I 1936 ohne mich. Am 8. Geburtagsfeier für jetzt 54 Jahre alten Knaben ohne mich.

Dennoch liebe Elly! Ich möchte Dir sagen, dass ich dabei war. Diese Tage sind nicht so ohne weiteres und weiteres versunken. Wir haben acht Mann vom Walzwerk und Herr Engel, später kam Frau Engel hinzu, wir haben Inventur-Abschluss um 18 Jahre Hochzeit und

Geburtstag mit Bier anständig begossen. Es hat gedauert von 4:30 Uhr d.h. 16:30 Uhr bis 19:00 Uhr und wir haben alle auf die Elly einen kräftigen Schluck getrunken und noch öfters einen vertrauensvollen Blick in die Zukunft getan.

Am 8. I. 1955 kam dann die grosse Überraschung. Frau Kayser hatte etwas vom Geburtstag erfahren und abends kam dann ein Geburtstagskuchen mit 54 Kerzen, welche ich um 22 Uhr in einem Zug ausblasen musste. in der Mitte des Kuchens standen zwei grosse Kerzen. Auf der einen eine 1 und auf der anderen eine 8. Diese beiden Kerzen wurde nicht angezündet sind auch nicht ausgeblasen, denn die Hochzeit dauert ewig.

Am Samstag-Mittag wurde unser Heim, nachdem die Spuren des Umzugs an den beiden Vorlagen in der äusseren Umgebung beseitigt waren auch im Inneren ausgemistet. Am Montag Fortsetzung. So werde ich jeden Tag besorgt sein etwas indem Ausbau unseres Nestes auszuführen Doch den letzten Schliff, den musst du Elly anbringen.

Mit der ersten Zeitung “ O Pioneiro” werde ich Dir auch einen Plan des Hauses zukommen lassen.

 heute Nachmittag habe ich von der Bullenhitze draussen wenig gemerkt, denn ich habe gut geschlafen, doch morgen wird der “Veraniko” uns schon zeigen, was Sache ist. In Belo soll es heute sehr heiss gewesen sein. wir liegen hier auf 750 m Höhe Punkt mein Zimmer liegt ziemlich günstig und nachts kühlt sich die Atmosphäre sehr schnell ab, besonders oben in den Vilas dos Ingenheiros, dort ist es Abends auf der Terrasse sehr gut.

Am 22 kommt Herr Scharlé mit Herrn Hein. Es geht um Kredite. Die Belgo-Mineira hat grosse Pläne. Hoffentlich geht der Draht (Kapital) nicht aus?

Was deine Weihnachtssendungen betrifft, liebe Elly!, so muss ich Dir leider mitteilen, dass ausser dem Weihnachtsbäumchen und Briefe Nr 34, 35 und 36 sowie zwei Sendungen Zeitschriften nichts eingegangen ist. Wie ist das mit meinem Weihnachtsgeschenk? Ob angekommen? Und wenn! Ob Freude bereitet? Dies werde ich ja noch erfahren.

Liebe Elly! ich weiss dass diese Tage vielleicht die schwersten Prüfungen brachten, doch überlege, dass wir gesund sind, dass wir, so Gott will, in einigen Monaten wieder im neuen Heim auf eine begrenzte Frist hier neu aufbauen. Schaue um Dich und vergleiche und dann wirst du leichter über alles hinwegkommen. In diesen Vorweihnachtstagen, da kaufte ich bei Familie Kayser Weihnachtsgeschenke, welche Frau Thenwé(?) gemalt hatte. Einen Schlitten und zwei Kärtchen. Es war ein gutes Werk für eine junge Frau, welche ihren Mann hier in Brasilien verlor. Herr lud erzählte mir einmal über das Sterben von Herrn Thenwé(?). schrecklich! Die Ursache war nicht Brasilien, sondern eine simple Blutvergiftung und zu jeder Zeit kannte man Penizilin noch nicht. Kopf hoch! Liebe Elly und jede Träne, wenn sie auch das Herz erleichtert! Bitte tue mir den Gefallen und bleibe auch noch auf die kurze Zeit der Trennung stolz und stark.

 Beim Aufschneiden des Geburtstagskuchen sollte ich mir etwas denken und das würde auch in Erfüllung gehen und dann habe ich gedacht: “Möge Elly über den 7. und 8. Januar heiter und ohne Zähren hinweg-

Gekommen sein.”Vielleicht hat mein Weihnachtsgeschenk dich erreicht und dann bin ich sicher, dass vieles leichter fällt in der Periode der Trennung, welche wir ja so gewollt haben. Trennung, welche nur noch kurze Zeit dauert, denn ich weiss das gerade diese Zeit mit den Vorbereitungen auf eine so grosse Reise, erst recht schwer wird. Mit dem “Croix du Sud” geht es leichter.

Ich schliesse nun für heute mit einem dicken Kuss für Elly!

Es ist spät geworden und morgen beginnt wieder der Alltag mit seiner Arbeit und den Vorbereitungen für den hohen Besuch.

Später werde ich berichten, wie meine Vorschläge aufgenommen wurden.

Bis dahin, alles Gute!

Kuss für Bomi und Roby!

schönen Gruss und meine besten Wünsche für Marga.

Emile