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Monlevade, den 11. Januar 1955

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Liebe Elly! Liebe Bomi! Lieber Roby!

Der Veraniko, den kann man nicht mit unserem Altweibersommer vergleichen. Heute hat der Stern schwer gedrückt und sogar heute Abend ist das noch sehr warm. Im Augenblick ist es mir ganz besonders heiss, denn eben habe ich zu Nacht gespeist und zwar zwei Teller Boune-Schlupp, einen Gang bratfleisch mit Nudeln, dann eine Schale Fruchtsalat, das ganze mit einem Glas brasilianischer Milch begossen. Die Boune-Schlupp erinnerte an die Heimat, weil jedoch nicht so wie Elly oder Bomi dieselbe fertig bringen. Die Nudeln mit Speck zubereitet waren auch nicht das, was ich wünschte, doch ich habe ordentlich hinein gehauen und nachher kamen die Gewissensbisse. Samstag habe ich mich gewogen und 93 kg war das Ergebnis und 85 kg wären genug gewesen und die Schwitzkur geht weiter.

Gestern kam dein Brief Nr 37 hier an, liebe Elly! recht herzlichen Dank für deine Mitteilungen, doch der Bericht über das Nasenbluten unserer Bomi hatte mich ordentlich gepackt. Ich bin ja auch der Ansicht, dass dieser Aierlass(?) die Folge von hohem Blutdruck war, doch jetzt heisst es aufgepasst. Am Schluss des Briefes schreibt Bomi selbst, dass es Ihr besser geht und wir wollen Gott bitten, dass diese Besserung weitere Fortschritte macht. Bitte schreibe mir laufend, wie es Mutter geht und vor allem Diät-Kost.

Weitere Sendungen ausser den bereits erwähnten und Brief Nr 37 sind nicht hier eingegangen. Ich danke herzlich für 1000 + 1 Küsse, ebenfalls für die guten Wünsche vom Bomi und Roby und deine Schilderung vom Pulverschnee. Also hat es doch Schnee gegeben in diesem Tage. Noch bin ich kein Jahr hier in diesem fremden Land und an was denke ich: “Wieder einmal Schnee sehen.” Es ist dies kindlich, denn mit Schnee und Kälte ist die Heizung eng verbunden und hier kennt man so etwas nicht.

 unsere Küche hat einen grossen eingebauten Schrank und zwar wie aus der Zeichnung ersichtlich in dem Zimmer neben der Küche die ganze Wand ausfüllend und unter dem Wasch- oder Spülbecken ebenfalls Schränke zum abstellen. Das Schlafzimmer hat alles bis auf Kopfkissen, Betttücher und Decken. Kartoffel gibt es hier so viel die man kaufen will, doch Reis und Fegão [Feij∫ão, Bohnen] werden bevorzugt. Am Gemüse gibt es, zur Zeit in der Hauptsache Gurken, Tomaten, Möhren und Bohnen.  Mit Kappes und Salta sind dies die Gemüsearten, welche das ganze Jahr über zu haben sind und auch im Garten gezüchtet werden können. Petersilie, Lauch, Zwiebeln alles ist da.

Äpfel, Birnen, Trauben, Bananen, Ananas, alles da, nur die drei ersten Sorten sehr selten.

Mit dem Auto bitte noch warten. Heute wurde vom Belo ausgerufen, dass dies zur Zeit ein Artikel ist, der sehr schwer einzuführen ist. Unheimlich hohe Zölle. Wenn wir die Einfuhr riskieren, so können wir schwer hereinfallen. Ich werde mich vorher noch genau erkundigen und zu gegebener Zeit und auch rechtzeitig berichten, ob und welchen Wagen Jahrgang so und so, wir als Gelegenheitskauf tätigen können.

Neueste Modelle und besonders Jahrgang 54, da sind die Herren der Zoll sehr, sehr streng. Der Dollar wird wie in der fünften Reihe verrechnet, davon 25% Zoll + Aufschläge, das kann 200000 Cr und mehr ausmachen. Bitte, liebe Elly! Abwarten! Wenn ihr jedoch einen Wagen kaufen möchtet und denselben später wieder verkaufen, so ist mir dies auch Recht. Nur Vorsicht, dass dann nichts passiert!

Die Jugend schwärmt natürlich für diesen Artikel, genau so ist auch unser Roby, doch was ist daran zu ändern, dass ich meinen letzten Brief mit Anweisung auf am Kauf eines Wagens, widerrufen muss. Brasilien ist halt so! Familie Engel hat nach sieben Monaten Eisschrank und el. Kochherd noch nicht aus der Zoll und einen Wagen nach hier bringen, Fahrt bezahlen und dann noch der andere Rest, das kann nur mit Nr sicher geschehen.

Lieber Roby! Sei nicht ungeduldig und zeige jetzt dass Du auch verzichten gelernt hast. Du kannst mit Führerschein wohl fahren, doch wie? Um hier in Brasilien fahren zu können, da muss man der reinste Akrobat sein und Nerven wie Stahl.

 Was die Bücher von Dr. Hoffmann betrifft, so waren die drei Exemplare. 1) wie ein Gebetbuch Schwarz in Leder gefasst “The making, shaping and treating of Steel” Ausgabe von einem amerikanischen Grossunternehmen. 2) Die Technik im 20. Jahrhundert mit schönen Bildern. 3) Tafel * Kalibrierung, wenn ich mich gut entsinne,So ist auf dem Deckel in Blau ein Profil aufgedrückt, ich glaube ein <)

Diese drei Bücher gehören Herrn Dr. Hoffmann. Bitte besorge dieselben zurück und entschuldige meine 

----------- * es sind zwei Exemplare Tafel derselben Ausgabe zu Hause und das sauberste davon gehört Dr. Hoffmann

Nachlässigkeit. Ich habe schon immer Gewissensbisse gehabt, dass ich diese Bücher nicht zurückbesorgt habe. Grüsse Herrn Dr. Hoffmann und Gemahlin sowie Roby Hoffmann von mir.

 Ich schliesse nun für heute und bedauere noch einmal dass meine Geschenke nicht angekommen sind, doch was ist daran zu ändern. Herr Speller hat die beiden Sendungen eingeschrieben und eingeschriebene Postsendungen von Paris müssten doch ankommen, doch meine Geschenke in fremder Hand werden keinen Segen bringen.

 In diesen Tagen würde viel, viel Arbeit verlangt. Inventur, Monatsbericht, Jahresbericht, Akkord-Vorschlag dazu Vorbereitung auf angesagten Besuch.

Gestern Trauerspiel auf der ganzen Linie (nur 260 To). Dollarspuck!

Doch dies kann auch ein “Veraniko” nicht verhindern, dass ich mich durchbeissen muss. Vertrauen muss geehrt und auch erfüllt werden, sonst hätten die Herrschaften mich ja nicht gefunden.

Liebe Elly! ich fühle mich gesund und lasse die Flitschen nicht hängen. Auch Du musst auf die Zähne beissen und wenn noch einige Monate hinter uns liegen, dann beissen wir hier beide die Zähne zusammen.der Mensch gewöhnt sich an alles und hier ist noch niemand verhungert. Wir werden hier unser Pensum erledigen und dann können wir machen wie der Dachdecker “Nolte”, der machte wie er wollte.

Einen dicken Kuss für Dich, Bomi und Roby und wir werden so Gott will im nächsten Jahr nach Buenos-Air [Buenos-Aires] fahren, wo wir schon einmal hin sollte und dort soll es schön sein und dazu Schnee. Urlaubsfahrt nach Argentinien!!!! Ev. Chilé [Chile]

Emile