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Monlevade, den 3. März 1955

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Liebe Elly! Liebe Bomi! Lieber Roby!

Streik in der Saar! Liebe Elly! Dieses Schreckgespenst habe ich schon immer gefürchtet. In einem Deiner letzten Briefe, da erwähntest Du, dass der junge Roby Hofmann bereits beobachtet hat, dass in Burbach die Arbeitsleistung eines Burbacher Beamten sehr gross ist. Der junge Roby weiss jedoch nicht, dass die meisten Bürobeamten sehr wenig Geld verdienen. Wie dies heute ist kann ich nicht sagen, doch was war dass eine leidige Angelegenheit, wenn ich in Hostenbach die Beamten entlehnte und dabei waren die hostenbacher Angestellten noch nicht einmal so schlecht “kotiert”. Mich wundert es nicht, wenn auch die Beamten der B.H. sich dieser Streikbewegung angeschlossen haben.

Es ist die sehr bedauerlich, denn gerade die Beamten der Burbacher-Hütte, dies war stets eine starke Mauer, und Streik bei dieser Innung war unmöglich.

 Ich entsinne mich, dass ich bei Streik im Werk einmal mit dieser Innung (Beamte der B.H.) Roheisen-Massel von Hochofen Ford schaffte. Mit dem schwarzen Hammer geschwungen von drei Mann, auf einer führte den Hammer, das war ich und zwei zogen am sein, einer rechts, einer links) wurden zuerst die masseln unter leitet und später würde das Bett für den nächsten Abstich freigemacht, dabei half ich dann auch noch mit. Alles nur Beamte, die Seele der Burbacher-Hütte und trotz Streik, haben wir bei schwerster Arbeit keine sauere Mienen gemacht. Dafür habe ich gesorgt, da war ich noch nicht verheiratet und da durfte ich noch singen. Die

 Klappe ganz gross aufmachen! Es hat allerdings damals auch meinen besten Anzug gekostet und zwar waren die Massen schwer und um dieselben durch ein Loch zum Wagon zu bringen, musste mit dem Knie nachgeholfen werden und nicht nur die Hose war hin, auch das Knie und höher hinauf, da fehlte die Tapete.

 Es war dennoch etwas, von dem die Beamten noch Jahre später erzählt sind und dabei glänzten die Augen. Streik ist nichts Schönes und beide Teile verlieren, aber dass die Beamten der B.H. mitstreiken, darüber komme ich nicht hinweg.

 Das hängt mit dem Koeffizienten zusammen. Technisches Personal vom Meister angefangen ist besser “kotiert” wie Büro-Personal.Ich weiss nicht, ob das Wort richtig ist, doch eines weiss ich, bei der Burbacher-Hütte werden nicht nur Briefmarken geklebt und heute habe ich mehrere Anzüge, dafür hat meine Elly gesorgt, aber singen darf ich nicht mehr, der Roby will dies auch nicht haben.

Bei uns hier war die Stimmung genau so und wenn auch niemand dies erkannt hat oder erkennen wollte, aus allen Abteilungen gingen Beschwerden über ungenügende Lohneinkünfte ein. Die allgemeine Auffassung der Werksleiter zielt darauf hinaus: “Abwarten, welche Forderungen gestellt werden, dann die Hälfte annehmen.” Diesmal scheint diese Annahme in der Sache nicht zu getroffen zu haben.

Mein Standpunkt ist jedoch immer der gewesen: “Wer sich Knechte halten will, der soll auch dafür sorgen, dass dieselben mit ihren Familien anständig leben können.”

Manchmal kann das Unternehmen solch eine Förderung nicht vertragen. Heute ist dies hier in Brasilien der Fall.

Zur ZeitIst wenig flüssiges Kapital vorhanden. Die Regierung hatte den Import für baueisen freigegeben. Jeder Fazendero [Fazendeiro] oder Kolonialwarenhändler hat Betoneisen mit seinem verfügbaren Kapital eingekauft, importiert.

 Auf der Gegenseite geben die Banken keine Mittel welche zur Erstellung neuer Wolkenkratzer zur Verfügung.

Begonnene Bauvorhaben werden noch vollendet, Aber alles andere ist mit Vierradbremse festgeknallt.

Folge! Preissturz und wenig Absatz für Walzprodukte besonders Rundeisen. Wir können hier mit Europa oder Amerika nicht konkurrieren, denn beide liefern die Ware viel billiger nach hier, wie wir dies je hier fertig bringen können.

 Die CSBM [Belgo Mineira] braucht Geld. Viele kleine Unternehmen haben die Tore bereits geschlossen und deshalb wunderte es mich, dass Herr Scharlé auf die neuen Prämien für das Walzwerk eingegangen ist und dennoch ist die Rechnung einfach. Jede Lohnerhöhung ohne Steigerung der Leistung bringt automatisch auch eine Erhöhung der Preise. Anders ist die mit Prämie!

In den beiden ersten Tagen, nach Bekanntgabe der Prämie hat die Drohtst die Produktion erzielt, welche wir vorher in drei Tagen kaum erreicht haben. Hoffentlich bleibt diese Erscheinung auch weiter richtig. Leider ist uns von den beiden Stossöfenfür die Drohtst. Am Nr II eine Seitenwand eingefallen und ich musste diesen Ofen zur Reparatur heute um 11 Uhr ausser Betrieb nehmen.

So ist es aber immer! Wenn man denkt, jetzt! Schon ist es Essig. Genauso krank ist auch der Ofen der Rev Str., derselbe wird wahrscheinlich morgen schon auf 10 bis 12 Tage ausfallen. Danach darf man den Kopf nicht hängen lassen.

Liebe Elly! Diese meine Ausführungen bleiben unser, denn andere Leute denken vielleicht anders, können jedoch auch Recht haben. Eine friedliche Regelung und rechtzeitige Vorsorge bringt jedoch stets für beide Seiten Vorteile.

Es geht nichts über den Burgfrieden.

Ich wollte eigentlich den grossen 7 Seiten schweren Brief Nr 46 beantworten, für welchen ich Dir herzlich danke.

Liebe Elly! Es hat mich gefreut, dass du nicht verdriesslich in einer Ecke als Mauerblümchen den Fasching bei gewohnt hast, Sondern auch mitgemacht hast. Ich denke jetzt an die Mutter, welche die Tochter zu jedem Ball schleppte und an die Grossmutter, welche bei Ankunft wie wegen stets fragte: “Huet sech nach neischt fond fir Tehand.”

Von wegen der Opfer in der Fastenzeit und Pflichten an Ostern, da mache Dir keine Sorgen, das geht in Ordnung.

Herr und Frau Heuwert fahren am Samstag nach Belo und werden gegen 15. März mit dem Flugzeug nach Europa segeln. Frau Heuwert ist Luxemburger wenn, also brauchst du keine portugiesischen Sprachkenntnisse Für dieses Treffen zu erwerben, doch beide sprechen auch glänzend “portugiesisch oder portugalerisch”.

Die Autofahrt von Rio nach Monlevade kannst du dir schon jetzt abschreiben, denn die Freigabe des Wagens wird nach meiner Ansicht nicht so schnell erfolgen. Es geht alles hier mit der hierigen “Patientia”.

Morgen geht es an die Ofen oder Öfenreparaturen!

Ich schliesse für heute mit einem dicken Kuss für Dich Bomi und Roby. Schönen Gruss an mager und Wünsche schnellere Fortschritte in Szenografie, wie ich in “Portugalersch”.

Gute Nacht und angenehmes Flohbeissen. Mit meiner “Fejouada” [feijoada] im Bauch wird es mit der Nachtruhe vorbei sein. Bitte wenden! Emile

Was ist eine Fejouada [feijoada]?

 Braune, es können auch weisse Bohnen sein, also Musik in brauner Brühe, ob die Brühe braun durch die Bohnen, das kann ich nicht sagen. Darin schwimmen Wurststücke, (Art Mettwurst) Speck Stücke, Zunge, geräuchertes Fleisch (sowas wir nennen Jud) dann Schweinsfüsse.

 Alles zusammen in einem dickwandigen Tontopf und damit das Zeug nicht kalt wird ist der Tontopf noch mit einem blütenweissen Tuch eingewickelt.

Dazu Reis und Fejou (Bohnen) sowie Sägemehl und grünes für geschnittenes Zeug, sieht aus wie fein geschnittener Salat. Eine Schüssel mit gezuckerten Apfelsinen und als Nachtisch Käse mit Marmelade Punkt eingang eine Suppe und Schluss ein Kaffeesinhio [cafezinho].

Meinst Du, damit könnte man schlafen?

Beierächst hatte ich vergessen.bei diesem echten brasilianischen Gericht gibt es ein oder nach Wunsch auch zwei Gläser Kaschass [cachaça] (Zuckerrohrschnaps).

Es wäre besser den Dr. Alesch mit dem langen Messer zu rufen, damit _ _ _ _ _ _ _ _-

Dann “gute Nacht”

Emile