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Monlevade, den 7. März 1955

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Liebe Elly! Liebe Bomi! Lieber Roby!

Am Samstagabend war ich bei Familie Huth eingeladen. Spargelsuppe, dann Huhn mit Spargel und Kartoffeln und zum Dessert Eis, dann Kaffeesinho [cafezinho]. Über Tisch ein Gläschen Rotwein und vor und nach dem Tisch einige Glas Bier. Es war ein gemütlicher Abend mit viel Gespräch, doch welterschütterndes kam nicht auf die Tapete. Die Zeit verging schnell und als ich um 12:30 Uhr Abschied machen, da drückte Frau Huth mir noch einen Beutel mit “Berliner Pfannkuchen” in die Hand und jetzt bin ich in Verlegenheit, was damit anfangen. Seit ich hier in Brasilien bin verspüre ich nie Hunger und so wenig ich auch esse, immer steht das Essen mehr wie gestrichen voll.

 Heute habe ich nun die Vichy-Pillen bekommen. Besten Dank, liebe Elly! Vielleicht wird es damit etwas besser. Am Sonntag Morgen nach dem Kirchgang und Kaffeetisch Namen Herr Herriges mich im Auto mit zur Piscine. es war sehr heiss und nachdem ich eine Flasche Bier konsumiert hatte und dem Trinken waren denn etwas zugeschaut hatte, da rief mich Herr Loutsch an, wegen Einladung nach “Sitio Largo” zu Herrn André Lipkowsky. André leitet die Wiederaufforstung und wohnt ausserhalb Monlevade etwa halbe Stunde per Auto in einem kleinen Bungalow, herrlich gelegen mit schöner Gartenanlage um die kleine Siedling.

Zwei Whisky als Aperitif, dann Huhn im Gelee, ein Glas Weisswein (Portugiesisches Wachstum) dann Filet mignon

Zäh wie Sohlleder mit Kartoffel-Püree (Junggesellen-Arbeit) dazu Salat (schlecht angemacht und danach das Beste), als Dessert eingemachte Kirschen (Büchsenprodukt).

Huhn und Gelee zwei Portionen, Filet zwei Scheiben, Salat und das alles verdrückt ohne Hunger, doch ich musste doch André’s Küche Ehre antun, da zog es mich zu einem Mittagsschläfchen. Herr Loutsch fand ein Plätzchen in einer Hängematte, doch das Töchterchen Monica liess den Herrn Pappi nicht zur Ruhe kommen.

Mein Plätzchen war auf einer Decke mit Kissen auf dem Rasen im Schatten, doch an Schlafen nicht zu denken. Heiss und “bichons” [bichos]. Ameisen und eine Sorte musst Iken. Letztere Art kann den Menschen nahe am Verzweifeln bringen. Andauerndes sausen um die Ohren dieser Biester, nicht grösser wie “Krunemecken”, vergebliches greifen, nur schlaue Landung aber dann hat man den Stich auch schon ab.

 Was blieb anderes übrig als ab nach Monlevade, was unserem Gastgeber Herrn Libkowsky (Pole doch heute Brasilianer naturalisiert) bestimmt nicht gefallen hat. So ging es über unmögliche Strasse mit herrlichen Landschaftsbildern wieder nach Hause. Ankunft daselbst 15:30 Uhr und nichts wie ins Bett, wo ich nach 4 Stunden “klatschnass” wach wurde.

 Feudales Abendessen: Suppe, Beafsteck mit Pommes-frites, Gemüse, Reis, Bohnen, Schale mit Fruchtsalat, Kaffee und ich löffelte nur die Suppe.

 Zwei Stunden “Speach” mit Herrn Hartert (Franzose) und Herrn Geraldo (Brasilianer) auf der Kasinotreppe. 

ich brauchte nicht viel zu sagen, denn der Mr. Hartert hat viel Gespräch und man brauchte nur Ja oder Nein zu sagen, wenn man Si gesagt hat und er wundert

Dann sagt man Non! Aber es ist nicht unbedingt notwendig, dass man zuhört.

Nachdem mir die vier Buchstaben auf der Marmortreppe doch protestierten wurde noch ein “Fernet Branca” zur Förderung der Verdauung gedrückt und dann “wieder schlafen”. Nachts kühlt die Atmosphäre sich ziemlich schnell ab.

Und das Trauerspiel geht weiter. Rev. Strasse Ruhe auf der ganzen Linie. Berge mit aufgerolltem Blech 600 breit und das fast die hoch Fabrikation braucht fehlt. Alles 375(?) mm dick für 2 (?) Röhre und Blech für ½ und ¾ Rohr fehlt. Der Williams-Ofen 8m breit mit Hànge-Decke ist zu früh zusammen gefallen. Reparatur-Dauer voraussichtlich 14 Tage.

 In der hoch Fabrikation ist der Ofen zum Galvanisieren ebenfalls schlecht. Heute Nacht wird hier zum so und so vielten Male geflickt.

So ist die Stimmung, liebe Elly! doch weglaufen kann man nicht. Man muss ausharren.

Am Samstag Mittag war kein Meister an der 350er Strasse angetreten. Jubert komme an und für sich meine beste Kraft, an Grippe erkrankt. Schulz, Kaschassero [cachaceiro ;)] d.h. dem Zuckerrohrschnaps verfallen, fehlte ebenfalls. Wir mussten Knüppel walzen für Cimaf. ein Auftrag, welcher bereits vor Fastnacht hätte geliefert werden müssen. Der Schaden war dennoch nicht gross, denn die gewalzten Knüppel sind nicht schön, einseitig zu voll. Es fehlte eben jemand, welcher nach dem Rechten geschaut hätte. So wird es noch weiter gehen müssen, bis das angeforderte Personal eintrudelt. Die Direktoria [Direktion] ist jedoch sehr zäh in der Anforderung von Hilfe.

Vor sechs Monaten hatte ich Hilfe angefordert und

jetzt beim Besuch von Herrn Hein wurde diese Liste wieder in allen Einzelheiten durchgekaut. Ich vermute dass es ziemlich schwer hällt Personal zu engagieren und ich bin gespannt wie viel und welche Kräfte tatsächlich kommen werden. Viele Rückgewanderte Familien werden solche Propaganda für die Belgo Mineira besorgt haben, dass es schwer halten wird, Engagements zu tätigen, dazu wird der Stand des Cr. auch noch sein notwendiges dazu beitragen, dass unser Hilferuf mehr oder weniger ein Schlag ins Wasser wird. Doch wir wollen dennoch vertrauensvoll in die Zukunft sehen.

Herr Präsident Félix Chomé und Herr Generaldirektor Konsbruck werden im Monat Mai auf 4 Tage hier in Monlevade sein.

Am Samstag vor acht Tagen war ich mit Herrn und Frau Herriges und Frau Heuwert wieder zu den sieben Seen gefahren. Die Landschaft war etwas schöner wie damals bei der Trockenheit, denn die Hügel zeigen jetzt grünes Futter und das Vieh hat sich wieder aus dem Skelett-Zustand anständig herausgefüttert.

 Ich füge einige Bilder, von meinem damaligen 1. Besuch in den Urwald, diesem Briefe bei. Herr Herriges hat die Aufnahme von mir und seiner Frau geknipst. So ganz grossartig sind die Bilder nicht ausgefallen, da der Film zu alt (abgelagert) war. Roby wird als Filmkünstler bereits grosse Fortschritte gemacht haben? In einem Brief, da schrieb er mir, dass er von einem Ball, Bilder herstellte, womit kosten für Film und Papier eingelöst wurden. Demnach schätze ich, das schon Bilder entstanden, welche sich sehen liessen.

 Solche Fahrten dienen zur Ausspannung, denn dann ist man etwas vom alltäglichen abgelenkt. Was jedoch

Am meisten Erholung gibt das ist Schlaf, und Gott sei Dank kann ich schlafen und das trotz Hitze. Das Zimmer im Kasino ist ruhig gelegen und ich glaube dass unser neues Heim diese Ruhe nicht bietet. Zurzeit macht eine Grillenart daselbst Nachts ein Konzert zum Herzerweichen. Hier im Kasino ist der Wald weiter entfernt und man hört dieses Ostergerassel aus weiter Entfernung und stört wenig. Dieses Konzert hört sich nämlich genau an, wie der Krach einer “Jarre”. Ich weiss nicht ob Du dieses Instrument kennst. Ein Holzkasten mit im Innern einem geschlitzten Brett und diese Holzlatte werden durchdrehen an einer Kurbel von einer Welle mit Zucken ausgehoben und federn dann zurück. Genau so jarren diese Biester. Schon jede Grille im Büro hat mich zum Verzweifeln gebracht. Die Töne lagen höher und eine Kanne Benzol hat dem Gezwitscher schnell ein Ende bereitet.in Hostenbach wurde Beitrag gezwitschert nur diese Musikanten singen oder bassgeigen die ganze Nacht, es ist einfach schrecklich, doch man kann mit einer Kanne Benzol nicht abhelfen oder man müsste den Wald anstecken. Sogar zwei stopfen Watte in den Ohren dämpfen gegen diesen Misttöne nicht genügend ab. Schrecklich!

Und nun habe ich so viel gejammert und möchte nur noch hinzufügen, dass es mir gesundheitlich gut geht. Was fange ich nur mit dem Berliner Pfannkuchen an? Besten Dank für alle, viele Zeitschriften.

Liebe Elly! einen Brief habe ich heute nicht bekommen, doch ich tröste mich auf morgen oder übermorgen, um dann zu erfahren, dass ihr bei bester Gesundheit seid. Noch einen dicken Kuss für Dich! Bomi! Und Roby

Emile