Currently playing
Resume film

Monlevade, den 17. März 1955

5

Liebe Elly Liebe Bomi! Lieber Roby!

Draussen regnet es! Gewitterregen! Es wäre eine Segen, wenn wir noch Regen bekämen, nicht nur für das Werk (Energie) sondern auch für den Pflanzenwuchs. In Siderurgica waren bereits kalte Schichten eingeschaltet, denn es hat in diesem Jahr noch keine richtige Regenperiode gegeben. Hoffentlich setzt nach diesem Gewitter noch etwas Regen ein, damit wir leichter über die bald einsetzende trockene Periode hinwegkommen.

Auf dem Werk wird schwer gewühlt. An allen Ecken sind Löcher aufgeworfen, sieht eigentlich toll aus. Kabelkanäle, Wasserleitungsgräben, Fundamente etc. viele Arbeitsstellen man sieht wenig Fortgang. Abbruch des Direktionsgeländes, eigentlich eine Bretterbude, denn der Platz wird zur Erstellung der Sauerstoff Fabrik benötigt. Doch mit dem allem habe ich nichts zu tun, das Pensum Walzwerk reicht dicke.

Seit gestern Mittwoch arbeitet der Rev. Strasse wieder und so werde ich wieder zu etwas mehr Tonnen kommen. Bleibt noch die Rep. des Ofens der Galvanisieranlage zum Verzinken der Rohre und wenn dann nicht wieder an eine andere kranke Stelle einen Strich durch die Rechnung macht, so wird es aufwärts gehen.

Diese Woche habe ich drei Briefe bekommen. Der erste war sehr dünn und dennoch wertvoll, Roby als Süsswassermatrose und die beiden Bilder vom Fasching habe mich gefreut. Nik scheint hier für die nötige Stimmung

Gesorgt zu haben und von einer Verletzung sieht man nichts. Der Sturz scheint also nicht so schrecklich gewesen zu sein. Mit diesem Brief Nummer 48a “Eine  Beruhigungspille”, kam ein Schreiben von Herrn Petit, doch weshalb hier dieses Schriftstück analysieren, ich füge diese Brief alles bei und Liebe Elly! du kannst mir dieses Dokument nach Studium wieder einsenden.

Vorgestern kam dann Brief Nummer 48b eigentlich mit 47 gezeichnet, doch diese Nummer ist in meiner Siri bereits vorhanden.”Mir Geht es gut, ich bin gesund doch habe ich noch keine Zeit zum Schreiben.” Diesen Satz werde ich mir merken, doch ich werde mir Zeit nehmen.

Der Regen ist vorbei und nur noch ein fernes Rollen bleibt vom Gewitter übrig.

Zeit nehmen zum Schreiben!

Bereits ist wieder eine Woche verstrichen und was ist aus der Zeit geworden, was aus dem Schreiben.

Portugiesisch oder “Brasilianisch” studieren. Ja! Das mache ich auch, doch Fortschritte sind kaum zu merken. Wenn man in ein bestimmtes Alter kommt, so geht dies nicht mehr so einfach. Beim studieren möchte ich jedoch darauf aufmerksam machen, dass e am schluss eines Wortes mehr auf i lautet und te auf tsch hinauskommt z.B. doente kommt etwa auf doentsch und vierte viertsch herauskommt ele heisser in der Minas-Sprache eli und neve, den es hier nicht gibt, wird etwa nevi gesprochen. man gewöhnt sich schnell daran, doch zur Verständigung ist es gut, wenn man dies gleich weiss.

Zeit zum brasilianisch studieren!

Zeitschriften lesen. Familienfeste besuchen. Zeitungen studieren (besonders der Stand des Cr zum Dollar). Wohnung lüften, damit nicht alles vermodert.. Womit soll ich zuerst beginnen?

Wohnung, denn dies ist wohl am meisten von Interesse. Am Montag war ich mit Frau Dias zur Inspektion oben. Die Wände sind an einzelnen Stellen etwas feucht, da das Haus zu fest verschlossen. An sonnigen Tagen darf ich nicht versäumen alles aufreissen und lüften.das ganze Haus wird frisch gestrichen und ein Hühner- Entenstall wird gebaut. Das Gras muss unbedingt gemäht werden. Aussenanstrich ist noch in Ordnung. Wie sollen die Zimmer gestrichen werden? Jetzt ist alles einheitlich hell, doch Flecken von blauer Untergrund Farbe leuchten durch, welche beim neuen Anstrich jedoch vollständig verschwinden. Die würden müssen hergerichtet werden, da beim Umzug die Herren “Operarios” die Kisten über die Bude geschleppt haben, dabei habe Nägel aus den Kisten herausgestanden und die Bretter sind start ein gekratzt.

Die Zeitschriften treffen regelmässig ein und ich sage Dir besten Dank, liebe Elly!

Familienfeste! 

Montag. Geburtagsfeier bei Familie Eberhardt. Anwesend Familie Herriges, Familie Seeburger, Herr Kayser (Ungar) und meine Wenigkeit.

Eiskaffee mit Schlagsahne, Gebäck und Schnittchen mit nur deutscher Schallplattenmusik.

Dienstag. Geburtagsfeier bei Familie Collet. Frau Collet 30 Jahre alt.Anwesend Familie Kloos, Familie Engel, Familie Perrui(?)-Jaquet, Herr Paulo von Gonzaga, Herr André Lipkowsky, ein Russe und noch ein junges Ehepaar. Letztere Namen habe ich verliebt.

Churasko [churrasco]! Bier! Jenièvre! Käsegebäck und Schnittchen mit Enchovis-Butter. (Jagdhund mit fünf jungen Tieren wurde nicht gegessen, fütterten jedoch mit)

Mittwoch! Geburtstagsfeier bei Familie Engel: Töchterchen Mariza 5 Jahre alt geworden.

Bier, dann ein Pernot, dann Zwiebelsuppe mit einem

anschliessenden Mordsdurst, welcher nur mit Sprudelwasser gelöscht wurde.

Dies alles mit brasilianischen Studien, Dienstag, Donnerstag, und samstags von 17:30 Uhr bis 18:30 Uhr durch Professor José Oliveira. 

Fehlt noch Samstag und Sonntag.

Samstag: ab 7 Uhr auf dem Werk und gewerkt bis 18 Uhr Punkt mittagessen 11:30 Uhr, dann schlafen ab 12 Uhr bis 17 Uhr. Bad mit Waschen von Strümpfen. Frisch rasiert. Abendessen! Siesta auf Kasinotreppe. Ausnahmsweise einmal Kino. “Die Witwe von Trinidad” mit “Rita Hayworth”. Ali’s geschiedene Ehehälfte.

Schwätzchen im Kasino mit Kinobesucher und 23 Uhr, es kann auch 23:30 Uhr gewesen sein, husch ins Bett. Kinobesucher: Herr und Frau Donner (Deutsche), Herr und Frau Leineweber (Schwester und Schwager von Familie Kayser, Kasinoverwalter, zu. Herr und Frau Possmann(?) (Deutsche, junges Ehepaar), Frau Kayser. 

Sonntag: Kirchgang 7 Uhr. Predigt, von welcher ich kein Wort verstehe. Herr Kloos kommt keuchend an, da mit Verspätung gerechnet. Bericht über alle Vorkommnisse auf dem Werk. Vor der Kirche natürlich. Predigt vorbei. Teilnahme am Gottesdienst eben Kirschentor, ein Platz, welcher für mich immer frei gelassen wird auch wenn der Vorplatz überfüllt ist. Meine Gedanken weilen zu Hause. Nachdem 20 Bettler auf dem Heimwege ihren Cr. bekommen haben. Frühsück!

Fahrt zum Werk! Piscine! Churasko-Essen [churrasco] mit Bier. Ab 14 Uhr Start zum Rio Pirassikaba [Rio Piracicaba], es kann auch Rio Santa Barbara gewesen sein. Teilnahme: Familie Engel mit Kinder, Familie Janusch [Janusz] mit Kind (Polen), Familie Kloos mit Monni Demuth. Auf Heimfahrt Besuch einer Fazenda mit 500 Mandarinenbäumen.

Mandarinen frisch vom Baum gepflückt und so viel davon, dass als Folge Maul- und Klauenseuche d.h. Ausschlag im Mundwinkel die Folge war.

Hundsmüde, klebrig, dreckig und von Mustiken auf beiden Beinen verstochen, Landung im Kasino. Verteilung der Mandarinen (vier vollgestopfte Taschen) im Kasino an Kinder und Erwachsene.

Abendessen, dann schleunigst ins Bad und Bett. Mandarinen-Revolution. Wir hatten 500 Stück Mandarinen gekauft, davon 100 Stück für mich allein, doch dieser Mandarinen Segen kann mich nicht mehr reizen, denn was zuviel ist, das bleibt zu viel.

Alles dies wurde in Telegrammstil erzählt, doch liebe Elly! wenn Du dies liest, dann denkst Du: “Und das nennt er arbeiten.” Jeden Tag auf der Tapete und mit keiner Wimper gezuckt. Die Probleme sind zu lösen und keiner löst dieselben für mich.

Jeder Tag bringt neue Probleme und es wird ein Stein auf den anderen gesetzt sodass im Endeffekt doch das erreicht wird, was ich mir vorgenommen habe.

Der Anfang ist gemacht und ich danke für Deinen Glückwunsch. Halte den Daumen! Vor allem darf es mit dem Cr. nicht Bankrott kommen.

Nächstes mal unterhalten wir uns etwas über Probleme. Heute ist es spät geworden und ich möchte schliessen mit einem dicken Kuss für Dich, Bomi und Roby. Hier sitzt der dicke Kuss ich glaube wenn er ankommt riecht er noch nach Tabak.

[Kussmund]

Husch! Kuss ins Bett, die Wanzen warten. Übrigens von Wanzen habe ich in Brasilien noch nichts gehört. anscheinend gibt es diese Art “Bichons”, besser “Bichus” [bichos] nicht.

Gute Nacht!

Emile