Currently playing
Resume film

Monlevade, den 5. April 1955

8

 Liebe Elly! Liebe Bomi! Lieber Roby!

 

Der Monat März ist überstanden. Wie bereits mitgeteilt hat es wieder einen Monat mit Hindernissen gegeben. wir haben F.W. 11723 To erreicht. am Freitag war das Wasser im Staubecken schon so tief gesunken, dass das Theater mit der Energie bereits wieder los gehen. Ich habe mich jedoch an nichts gestört und wir walzten munter drauf los, da setzte Freitag Abend wider erwarten Regen ein und es regnete so schön und es hat sich so schön abgekühlt, dass man nachts schon zwei Decken auf dem Bett gebrauchen kann und tagsüber Pullover. Bis heute hat der Segen von oben angehalten. Seit zehn Jahren hat es im April keinen Regen mehr gegeben.

 Eine grössere Unterbrechung dieses Brief Schreibens brachte die Lichterprozession, welche von der Kirche aus startete und am Pirassicaba [Piracicaba] vorbei über die Brücke zur Schule pilgerte. Ich musste mir die 1000 Lichter näher betrachten. An der Spitze wurde ein grosses Kreuz getragen, dann folgten zuversichtlich Damen, Herren und zum Schluss Baldachin mit Abschluss Musikkapelle.

Wir sind in der “Semana Santa”, eine Woche, welche hier ganz tief religiös, Ernst gelebt wird. Sogar das Wetter beteiligt sich dieses Jahr und besorgt die notwendige Stimmung, richtiges Herbstwetter, doch die Natur macht nicht mit, es bleibt alles grün.

Seit zwei Tagen versuchen wir ein neues Profil an der 650er Strasse 4(?)Federstahl. Am ersten Tag war es ein

 Kümmerlicher Versuch, doch soviel stand fest, dass das Profil herauskommen kann. Heute haben wir nun 22 Tönnchen fertig gebracht und mehr wie 50 Tonnen werden in einer Schicht Wollny herauskommen. Welch ein Kampf!! Die Strasse hat nur zwei Gerüste ohne Vorstr. aus einem 200 kg Block 140 x 100 wird der Pfannkuchen von 101,7 x 7.8 heraus georgelt.

Es scheint für Monlevade doch eine Leistung gewesen zu sein, denn es ist das erste Profil, das auf Anhieb richtig herauskommt, dazu Federstahl.

Mit dieser Walze soll jedoch auch 4 ½ und 4 3/4 Flach Federstahl geschruppt werden.

Dieser Monat ist sehr kurz, denn Karfreitag und “Tire Dente” [Tiradentes] kommen zu den Sonntagen, sodass kaum 24 Arbeitstage verbleiben. “Tire Dente” [Tiradentes] ist ein berühmter brasilianischer Zahnarzt, welcher sich besondere Verdienste für Minas oder für Brasilien erworben hat. Doch was?, das kann ich nicht sagen.

Heute Abend kam ein besorgter Vater zu mir und klagte, dass der Sohn mit noch zwei Kollegen zur Jagd sind. Am Sonntagabend sollten die Jäger zurück sein und sind heute noch überfällig. Die Fahrt zum Agua Pé erfolgte mit einem leichten Wagen und es ist anzunehmen, dass durch den Regen die Strassen so schlecht wurden, dass die Expedition irgendwo im Dreck stecken blieb. Der Mann hat natürlich grosse Sorgen und möchte das eine Expedition mit Jeep sofort auf Erkundigung Fahrt ab zieht, doch da kann ich nicht helfen, dies kann nur die Direktion einleiten.

Hier will jeder ein grosser Jäger sein. Alle laufen mit dem Schiessprügel in der Landschaft und wenn einer ein Jaguaret [Jacaré] Name für Krokodill erlegt hat,

Oder ein Wasserschwein, dann ist dies ein Ereignis. Meist wird jedoch gar nichts geschossen oder vielleicht noch eine Wildente und wenn man so eine erledigte Ente sieht, dann möchte man weinen. Herrliche Tiere, doch zum Essen kaum etwas dran, dabei stopfen die Sonntagsjäger bis in den Bauch im Morast, schiessen auf Enten oder Tauben und finden die geschossenen Tiere meist nicht wieder, da keiner von ihnen einen für diese Jagd abgerichteten Hund hat. Der Traum eines jeden ist jedoch einmal eine “Onza” [Onça] fallen zu können, doch ich bin fest davon überzeugt, dass beim Erscheinen einer solchen leoparde die Gesellschaft ausser einem Schweizer “Schudi”[Tschudin] Fersengeld geben würde. Schudi geht allein auf Jagd nach der “Onza” [onça].Eines guten Tages muss auch eine Expedition starten, um diesen fanatischen um nicht zu sagen verrückten Jäger zu suchen.

Zweimal wurde ich schon eingeladen “Jaquaret” [jacaré] Essen, es fehlt noch, dass eines guten Tages auch noch ein Affe serviert wird. Krokodil soll ganz gut schmecken vielleicht versuchen wir einmal zusammen, doch an Affe ist nicht zu denken, soll aussehen, wie wenn ein kleines Kind serviert wird und die Brasilianer essen letzteren mit Genuss. Ich glaube dass hierzu schon etwas erbliche Belastung gehört.

Doch schluss jetzt mit diesem Thema. Morgen oder übermorgen, wenn die Strasse wieder besser ist, dann werden die drei Jäger wieder auftauchen, doch besser ist es, sich nicht in die Gefahr begeben. Ein Mückenstich genügt! Hier in Monlevade habe ich noch keine Schlange und keinen Skorpion begegnet und schlafen im Bett ohne Gefahr durch Moskitos Malaria zu erwischen ist klüger. Es genügt schon dass Schnaken

Des Nachts stören, doch das sind Schnaken hauchdünn und flink wie die Brasilianer. Eine Jagd auf diese Biester kann kochenden Ärger erzeugen und wenn man denkt, der Erfolg war sicher, dann geht die Musik erst richtig wieder los.

Liebe Elly! denke nicht, ich würde dauernd auf der Jagd nach “bichons” [bichos] (allgemeiner Ausdruck für kleines Getier) sein. Brasilien ist allerdings was “bichons” oder besser “bichus” [bichos] noch besser auf deutsch “Bichus” reich gesegnet. Ich gönne mir viel Schlaf. Gestern Abend wollte ich eigentlich schreiben, doch die 4(?) lagen mir so in den Knochen, dass mein Bett mich anzog, wie ein Magnet wirkte und die Zeilen schreiben: “Ich bin gesund, mir geht es gut”, das möchte ich doch nicht. Beides trifft jedoch zu. Diese Woche habe ich die zugesicherte Gratifikation bekommen, trotzdem die CSBM [Belgo Mineira] so schlecht bei Kasse ist. Alles in bar und zwar hat der Herr Superintendent gedacht, ich würde demnächst viel Geld brauchen und deshalb hätte “Er” gedacht, richtig zu handeln und mir den Zaster mitzubringen. Noch mal würde dies der Herr Scharlé mir persönlich überreicht haben. Wie besorgt!

 All das wäre mir ja auch piepe, wenn ich nur meinem Finanzminister diese Bürde aufdrücken könnte. Liebe Elly! Du weisst ja, dass ich mich hier nicht auskenne, also warte ich damit, bist Du kommst, hoffentlich klaut’s mir keiner oder es wird von den “Bichus” [bichos] gefressen.

Ende vergangener Woche erhielt ich auch den angemeldeten Brief von Herrn Pfarrer Thönes. Ich füge den Brief diesem Schreiben bei. Ich hätte nie gedacht, dass Hostenbach so aufgeschlossen ist und Herr Pfarrer Thönes ist zu dem Ergebnis zu beglückwünschen.

Am vergangenen Sonntag war ich Gast bei Familie Engel. Zum Mittagessen gab es Bouneschlupp und am Abend waren zu Gast, ein Russe mit Frau, Mann kenne ich nicht, würde meiner mit Mr. Boris angeredet, ein Schweizer Mr. Collet mit Frau, Mr. André und ich. Herr Collet Chemiker war Küchenchef und fertigte allein eine “Fondue” her.

Käse mit Weisswein und sonstigem wird warm im Topf auf den Tisch gesetzt. d.h. eine elektrische Ofenplatte auf dem Tisch, daneben eine grosse Schüssel mit Brotwürfel. Jeder schnappt sich eine Handvoll Würfel in seinen Teller, spiesst einen Würfel auf seine Gabel und führt dann damit durch die Käsemasse und dann nicht zu heiss in den Mund. Alles stehenden Fusses um den Tisch.

Dieses Spiessen, Trinken- Rühren etc, dauert so lange bis die Masse alle ist. Spezialgericht der Schweizer, doch am besten mit “Schweizer-Käse”, den es hier nicht gibt. Getrunken wurde Weisswein see und Schnaps “Bagacero” [Bagaceiro]. wie mein Magen das vertragen konnte, verstehe ich jetzt noch nicht. Allerdings Wein trank ich keinen Punkt ein Tropfen dieser Masse auf den kalten Teller gefallen, das war sofort “Kaugummi”. ich glaube auch dass das Zeug bei mir den Weg der Wege noch nicht gefunden hat.

Es riecht Die Absicht lag vor, Briefe zu schreiben, doch es kam nicht dazu und dies wusste ich auch im voraus, denn zwei kleine Mädchen, Marisa und Claudine sorgten dafür, dass solche Gelegenheit nicht zur Wirklichkeit wurde.

Ich schliesse für heute mit einem dicken Kuss für alle: Elly, Bomi, Roby, Cleo, Hubert

Emile

Hostenbach, den 24. März 1955

 

Lieber Herr Demuth!

 

Ihren lieben Brief habe ich mit grosser Freude erhalten. Er gewährte mir einen kleinen Einblick in ihre neuen Verhältnisse. Sie werden sich durch Ihre emsige und intensive Tätigkeit in die neue Situation, die Sie im fremden Erdteil unter fremden Menschen gefunden haben, inzwischen einigermassen eingelebt haben. Es war bestimmt nicht leicht für Sie, Frau und Kind und Heimat zu verlassen, um den ehrenvollen Rufe in die weite Ferne Folge zu leisten. Der Herrgott wird Ihnen Kraft und Gnade verleihen, damit Sie in bester Gesundheit den Tag erleben, an dem Ihre Liebe Frau und dem Jungen und der guten Oma in einigen Monaten bei Ihnen eintreffen werden. Ihre liebe Familie in Hostenbach erfreut sich gottlob nach besten wohl ergeben. Der brave Junge wird bald ein gutes Abschlussexamen machen, um dann in die ehrenvolle Fussstapfen des Vaters zu treten.

 In Hostenbach sind wir ein gutes Stück vorangekommen. Der Turm ist nun gebaut. Sie haben ja die Zeichnung gesehen. Augenblicklich ist man damit beschäftigt, das Gerüst abzumontieren. Der Bau zwischen Turm und Kirche, der die Pfarrbücherei aufnehmen soll, wird in einigen Tagen begonnen werden.

 Die fünf Glocken, die wir in Saarburg haben giessen lassen, würden am 10. März auf 2 schön geschmückten Lastwagen abgeholt. Am Anfang des auch das hat die Pfarrei sie empfangen. In einem imposanten Festrug, an dem trotz eisiger Kälte mehrere Hunderte Hostenbacher teilgenommen haben, wurden die Glocken unter vor Antritt einer Musikkapelle von 20 Mann durch mehrere festlich geschmückten Strasse zur Kirche geleitet. Am 13. März erhielten sie die feierliche Weihe.

Nunmehr haben sie schon ihren Platz in der hohen Glockenstube des Turmes eingenommen. Z Zt. sind Monteure an der Arbeit, dielektrische Laute Maschinen aufzustellen. Am Passions-Sonntag sollen die wunderbar klingenden Glocken über heiligen Dienst als Rufer Gottes aufnehmen. Es ist dies der Tag, an dem unser Fach Kind Rudolf garbach sein erstes heiliges Messopfer feiern wird. Die grosse Pfarrei rüstet sich zur Zeit, dieses denkwürdige fest würdig zu gestalten. Ich freue mich sehr, das ein Sohn unserer Pfarrei nach vielen Jahren wieder den Priester Beruf erwählt hat und nun seine Primiz feiern kann Punkt ich freue mich umso mehr, da ja ein grosser Priestermangel herrscht. Wahr ist das Wort des Herrn: "die Ernte ist gross, aber der Arbeiter sind wenige."

 von Oktober bis Februar habe ich richtige Seelsorge Besuche gemacht. Alle meine Schäflein habe ich aufgesucht. Tag für Tag bin ich von Haus zu Haus, von Familie zu Familie gegangen. So habe ich einen tieferen Einblick bekommen in den religiös-sittlichen Stand der Pfarrei. Viele glücklichen Familien mit guter religiöser Einstellung habe ich gefunden. Leider habe ich auch zervullete Ehen, ja sogar mehrere ungültige ihren entdeckt. Diese Besucher waren unendlich wertvoll, wenn sie auch für mich überaus anstrengend waren und meinem Gesundheitszustand hart zugesetzt haben. Die Leute waren alle -  auch die religiös abständigen - sehr anständig und aufgeschlossen. Sie freuten sich, mit ihrem Seelsorger sich aussprechen zu können. Es ist wirklich ein guter Kontakt hergestellt wurden zwischen Pfarrer und Fach Kindern. Lohnenswert ist der Geist, der augenblicklich in Hostenbach herrscht, es ist zu erwähnen, dass mir gelegentlich der Familienbesuche Spenden für die Glocken ausgehändigt wurden. Endsumme dieser Spenden: 2.210.000 - Francs. die Zivilgemeinde hat 2.000.000 Frcs gestiftet, so dass ich kein Kopfweh zu haben brauche, die Glocken zu bezahlen.

Die fünf Glocken kosten incl. Glockenstuhl, den die Firma Koch in Wadgassen hergestellt hat, sowie die elektronische Läutemaschinen und die automatische Schaltuhr für die Angelusglocke, ca. 5 Millionen Frcs. der Betrag ist gottlob vorhanden. Der Turm kostet ca 14 Millionen Frs., von denen neun Millionen schon zu Verfügung stehen. 5 Millionen Frs habe ich noch geliehen. Der Zinsfuss beträgt 6 ½ %. Die Regierung gibt mir aber 3 ½ % zinszuschuss. da die Laufzeit der Anleihe 10 Jahre beträgt, ist es gar kein Problem, die Schuld abzutragen. Inzwischen werden wir weiter arbeiten, um die Gelder durch Opfer Gänge in der Kirche und durch die Beiträge in Kirchenbauverein zusammenzubringen, um in einigen Jahren mit dem Vergrösserungsbau der Kirche beginnen zu können.

Mein lieber Herr Demuth, wünsche ich Ihnen in ihrem Wirken in der weiten Ferne Gottes reichsten Segen. In der Hoffnung, dass es Ihnen gesundheitlich noch recht gut geht, grüsst Sie freundlichst

Ihr

Mattli(?) Thönes, Pfr.