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Monlevade, Samstag-Nachmittag den 21. Mai 1955

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Liebe Elly! Liebe Bomi! lieber Roby!

Um 11 Uhr ist das Flugzeug nach Belo und von dort geht es per Auto nach Sabara zu dem großen Fest der Uhrenverteilung, wo ca 600 Personen feiern. Ich bin nicht von der Partie! Diese Feier wird auch ohne mich vorüber und wenn ich nicht dabei bin, so haben sie einen weniger zu beköstigen und für Schlafstelle zu sorgen, denn außer der Fahrt, welche nicht billig ist, können die wenigsten in Siderurgica eine Schlafstelle finden, also kommt die Fahrt nach Belo dazu mit Übernachtung und nach diesen anstrengenden Tagen des Besuches, möchte ich jetzt meine Ruhe haben.

 Gerade war ich mit meinem Briefe fertig, als Herr Loutsch im Büro erschien. Es ist ein kurzer Brief und dies hier soll die Fortsetzung sein. Ich sagte dem Herrn Superintendent, dass ich jetzt nach diesen anstrengenden Tagen der Ruhe bedürfe und er möchte mich bei den Herren entschuldigen. Man soll auch nicht überall mit der Nase dabei sein. So möchte ich denn heute Nachmittag, eigentlich Stunden, wo ich normalerweise kenne etwas mit dir plaudern, liebe Elly. Weshalb kein Schläfchen?

Heute Haben 65 Personen in Monlevade den Führerschein-Examen. ein Teil hatte bereits bestanden und wie ich zum Casino kam, saßen alle die Erfolgreichen beim Frühschoppen. Ein Russe genannt Boris mit Frau und Kind von 3 Monaten war

Von Auswärts auch zum Führerschein erschienen. Die Frau ist Französin. Boris hat theoretisch das Examen hinter sich, doch davon aus fährt erst um 9 Uhr angetreten, zieht sich das praktische Examen in den Nachmittag hinein. Die junge Frau mit dem Wurm war etwas in Verlegenheit und so bot ich ihr Zimmer 1-2 an zum Pflegen das Sprösslings und wir aßen zusammen am Mittagstisch.

Doch es war nicht, was ich erzählen wollte, es war der Bericht über den Besuch des Präsidenten Herrn Félix Chomé.

Samstag den 14 Uhr Abends um 16:30 Uhr sollte der Besuch in Monlevade per Extra-Zug ankommen. Die ganze Volksschule 1000 und mehr Kinder mit Fähnchen (brasilianische Farbe) ausgerüstet haften zu beiden Seiten des Weges zum Werkplatz auf die Ankunft der hohen Herren. Wir saßen im Casino bei einem Glas Bier und erfuhren, dass der Zug um diese Zeit erst in Piracikaba [Piracicaba] eintrudelte. Also dauerte die Fahrt noch wenigstens eine Stunde und so würde es auch Anbruch der Dunkelheit bis zum Einlaufen das nicht Extra-Zuges, sondern der Michelnie(?),Wo ich bereits in vorhergehenden Briefen eingehend geschildert habe. Es stiegen aus Herr Felix Chomé, Herr Scharlé, Herr Hein und mynext hätte ich Herrn Konsbruck vergessen. Die Musikkapelle von monlevade spielte auf und das Rufen der Kinder beim Fahnenschwenken würde nur durch Hunderte von Foguete-Geknall übertönt. Wenige händedrücke und der Fußmarsch zum großen Platz am Kino begann. Voran die Musik, dann der hohe Besuch und dann Gedränge.

Die Villa Schüsse mit den gallischen Raketen setzte nicht aus. Es war ein grandioser Empfang und nachdem die hohen Herrschaften auf einer kleinen Tribüne Aufstellung genommen hatten, konnte man erkennen, dass der Empfang auf den Präsidenten tiefen Eindruck gemacht hatte, denn Herr Felix Chomé sowie auch die anderen Herren waren sichtlich gerührt und waren auf solchen Empfang nicht gefasst.

Herr Chef-Arzt Dr. Mario hielt dann eine Anrede und wir erfuhren, dass Herr Chomé 6000000 für Studienzwecke aus privater Kasse gestiftet hatte, damit auch Kinder, welche intelligent sind, von minderbemittelten Eltern, studieren können.

 Zwei kleine Mädchen überreichten dann dem edlen Spender eine Goldplakette mit Widmung an dieses Ereignis und dann folgte eine große Rede, Gruß nach Inhalt, doch auf französisch, welche das Volk nicht verstehen konnte, doch wir stellten fest, dass Herr Felix Chomé ein ganz großer Redner ist und alles Gesagte war so voll Wärme und war aus tiefster Seele gegriffen, dass nicht nur die Augen des Redners nass waren, sondern auch bei uns ähnliche Spuren hinterließ.

 Sonntag, Montag, Dienstag 14 Uhr des grossen Hauspitzes im Walzwerk.die hohen Herren saßen in der Fazenda fest und waren schwer am Rechnen, denn es hat den Anschein, als ob das Schöpfen aus dem Vollen aufgehört hat. Die finanzielle Belastung für Stahlwerk und sonstiges bereits bestellte Material zwingt zu größerer Sparsamkeit und beim Besuch im Walzwerk sagte mir Herr Chomé: “Wenn Halbzeug und fertige Ware am Jahresschluss auf einem


 

Minimum sind, dies wäre der beste Erfolg.”

Herr Felix Chomé Ist mit seinen 68 Jahren noch sehr rüstig und geistig sehr rege.Meine Ausführungen über das Walzwerk wurden schnell erfasst und auch genehmigt. Wann ich jedoch hierfür Kredite bekomme, das hängt von den Geschäften ab, welche die B.M. [Belgo Mineira] finanziell wieder besser stellt.

 Mit dem Ergebnis dieses Besuches kann ich zufrieden sein und ich habe den Eindruck, dass Herr Chomé so wie die anderen Herren ebenfalls zufrieden waren.

Am 18. Abends, also am selben Tage steht dann ein “Cock-tail” und “Churasco” [churrasco] mit annähernd 300 Personen, auch keine billige Angelegenheit für die B.M. [Belgo Mineira].

Extra-Friseure aus Belo für die Damen.

Herr Heinen war von Gonvernador-Valadares [Governador Valadares] auch zum Fest erschienen und wir haben Herr Scharlé, Herr Heinen und ich manche Jugenderinnerungen aufgefrischt. Bei Tanz und Musik verlief das Fest ziemlich munter und besonders ohne Disharmonie, was bei vorhergehenden festen nicht immer der Fall war. Von irgendeinem Zwischenfall, welcher bei solchen Gelegenheiten nicht immer ausgeschlossen ist, habe ich nichts gehört.

Herr Chomé scheint sich sogar geäußert zu haben (nach Aussagen von Herrn Loutsch), dass die Harmonie (Zusammenarbeit) in Monlevade besonders gefallen habe.

Am Donnerstag den 19. Mai 13:30 Uhr Abschiednahme an der Fazenda. Nur Betriebschefs und Ingenieure waren anwesend. Punkt 13:30 Uhr Dina mit Gepäck, dann der Star. Kurzes Händedrücken und Brassade und dann Abfahrt der Wagen.

Liebe Elly! Ich habe jetzt eine Schilderung dieses Besuches abgegeben und ich nehme an, das dieselbe Dir etwas Freude bereitet. Die Freude wäre wahrscheinlich größer gewesen, wenn Du selbst hättest anwesend sein können, doch trösten wir uns mit dem Gedanken, dass so Gott will, wir noch öfters die Möglichkeit haben werden, einem Fest beizuwohnen, und dass wir dann zusammen tanzen können, solch schwunghaften Walzer, wie ich mit Frau Hein getanzt habe.

Herr Felix Chomé hat sich über Roby’s Studien erkundigt sowie Fortschritte und Zukunftspläne. ich schließe für heute mit einem dicken Kuss für Dich, Bomi und Roby.

Alles Gute

Emile

P.S. fortsetzung Mitverantwortung deines lieben Briefes Nummer 57 folgt nach ausgiebigem Schläfchen. Herr Heinen ist heute Morgen um 4:50 Uhr wieder zurück in die Wildnis.

Kuss für Keny!