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Monlevade, den 3. Juni 1955

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Liebe Elly! Liebe Bomi! Lieber Roby!

Der Monat Mai ist zu seinem Abschluss gekommen. Seit Dienstag warte ich auf einen lieben Brief von meiner Elly, doch es ist mittlerweile Freitag geworden und ich möchte nicht länger warten, um einige Zeilen an Dich, liebe Elly, sowie Bomi und Roby zu verfassen. Vielleicht trifft morgen der überfällige Brief 1, oder es geht dem erwarteten schreiben wie Brief 51 oder es liegt sonst etwas vor, was ich jedoch nicht hoffe.

Nun liebe Elly, der Monat Mai ist abgeschlossen und wir haben 11325 armselige Tönnchen Fertigfabrikate aufzuweisen. Sehr dünn, wenn ich bedenke, dass Hostenbach heute nicht weit von dieser Produktion liegt, dazu Blech mit sehr schönen Verkaufspreisen. Unsere Quetsche gibt eben nicht mehr her.

Am vergangenen Samstag war ich nach Siderurgica gefahren. Große Sportveranstaltungen, doch ich war nur Zuschauer. Es gab Tennis, Volley-Ball, Basketball zu sehen. Bei nächst hätte ich vergessen auch ein Fahrradrennen. Ich wiederhole noch einmal, dass ich nur ein Zuschauer war und doch tut es weh, dass man nicht mehr so mitmachen kann, wie damals, denn die Jahre sprechen hier ein strenges Wort. Vorsicht!

Es waren beschauliche Tage, doch der Zweck der Reise war 1. Möbel 2. Reklamation Federstahl Asa

Möbel! Noch wenig zu sehen, doch ich musste einmal bei Herrn Fohrmann vorbei, damit das nicht den Anschein erweckte, als ob ich mich für diese Angelegenheit nicht interessieren würde. Doch was verstehe ich schon von Möbeln. Ist es doch gleich, was Herr Fohrmann baut. Billiger wie im Geschäft wird das Ganze wohl werden und wenn das Zeug uns gefällt, so nehmen wir nach 6 Jahren den Plunder mit, wenn nicht, nun, dann bleibt der Ramsch hier. Wenn ich Louis XV oder sonstigen Stil bestellt hätte, so wäre viel Hausarbeit und sehr teure Arbeit geschafft worden und für unseren Bedarf wird auch weniger Luxus reichen.

 Reklamation! Fiasko! 57 Tonnen Federstahl nicht zu gebrauchen. Fertige Federn brechen beim Hammerschlag wie Gusseisen, aber nicht alle. Schlechte Charge dazwischen. Nach 5 Stunden experimentieren Heimfahrt von Belo über Siderurgica nach Monlevade, wo Familie Kloos und ich um Mitternacht landeten.

Dies war mein Pfingstfest! Die Kirche in Siderurgica wurde immer gepriesen als etwas Einmaliges, doch fand ich eine mit Goldverzierung überladene Kapelle, in welcher die Decke durch Regeneinbruch stark gelitten hatte und wo nur das Publikum von Interesse war. Zu Hause wäre mir der Besuch des Gotteshauses an diesem Pfingstsonntag mit Dir, Bomi und Roby eine Freude gewesen und so konnte ich nur an Euch denken und ich verließ diese Städte mit etwas leidigem Gefühl.

 Am Dienstag begann dann das Trauerspiel. Während meiner Abwesenheit waren beim Kran-

Transport zwei Stapel Blooms auf das Kühlbett der Drahtstr gefallen und hatten 6 m Kühlbett zerdeppert. Um 1:15 Nachmittags lief die Galvanisierpfanne mit 80 To Zink leer. (Loch in der Bratpfanne). Die 350er Straße bringt keinen anständigen Stab mehr fertig, weil das leitende Personal krank et. etc.

Liebe Elly! du wirst verstehen, dass ich unter diesen Umständen ziemlich gedrückt bin. So leicht lasse ich den Mut nicht sinken, doch dies war etwas zu viel. In vier Tagen haben wir jetzt eine neue Galvanisierpfanne eingesetzt und heute wird Zink umgepackt, morgen wird Feuer auf die Pfanne gegeben und ich denke dass wir Mitte nächster Woche wieder galvanisieren können. Wir haben über 2.500 To schwarze Rohre auf Stock und kein Kilogramm schwarze Rohre in Auftrag. Der Markt nimmt nur galvanisierte Rohre auf. Doch nach diesen miesen Tagen hoffe ich, dass auch wieder hoffnungsvolle Momente kommen werden. Am Mittwoch ging ein Gewitterregen hier nieder und der Staudamm läuft noch über. Im vergangenen Jahre war die Lage eine ganz andere und deshalb ist es so bedauerlich, dass wir auf der 350er -650er nichts fertig bringen. Vor einem Jahr schon. Kurz nach meiner Ankunft habe ich nach einem Walzmeister gefragt für diese Straßen, denn das leitende Personal ist unmöglich. jetzt habe ich den Präsidenten meine Sorgen mitgeteilt, und ich hoffe, dass jetzt etwas geschieht. Mit den hierigen Leuten kann man Tonnen und anständige Ware nicht erzielen.

Herr Zewen und Arthur haben mir geschrieben und

Arthur bittet um Rat und schreibt: “Beruflich habe ich mich mit dem Gedanken getragen eventuell nach Monlevade zu gehen. War deshalb auch bereits einige Male bei Herrn René Wagner. endgültig soll die Sache etwa Ende Mai gemacht werden. Daneben hätte ich die Möglichkeit in Völklingen angestellt zu werden (Stahlwerk). die Entscheidung, die ich nun bald treffen muss, fällt mir ziemlich schwer.”

Arthur Meint, falls es mir nicht zu viel Arbeit macht, wäre er für einen Rat in dieser Hinsicht sehr dankbar. * Er schreibt: “Sie kennen ja die Verhältnisse dort unten und können auch Vergleiche mit den hierigen machen.”

Liebe Elly! *Arthur wünscht, dass ich diesem Schreiben einen diesbezüglichen Satz bei füge und dies fällt mir so schwer. Es hat doch kaum jemand Monlevade und Land und Leute so eingehend geschildert wie ich. Arthur steht mit Herrn René Wagner in Verhandlung und damit ist alles gesprochen. Das Brasilienfieber hat Arthur gepackt und dagegen ist kein Kraut gewachsen Punkt an Arbeit fehlt es hier nicht, doch vieles Angenehme auf dem Heimat-Kontinent wird er vermissen und dies ist noch empfindlicher für jede junge Hausfrau. Nur das Familienleben ist der Kern eines zufriedenen Daseins in Monlevade, dazu darf man hier nicht krank werden.

Wenn ich Arthur rate in Europa zu bleiben, so tut er dies doch nicht, denn er hat sich in einem Netz gefangen und zwar in dem Augenblick, wo er zu René Wagner ging. so mag er sich dem entscheiden, doch hoffe ich, dass wir hierzu den vielen unzufriedenen, nicht noch einen unzufriedenen


 

Mehr aufzuweisen haben. Der Groschen mag jetzt fallen, doch auf eines mache ich aufmerksam, wir haben hier Inflation und wie der Karren hier weiterläuft, das ist nicht vorauszusehen, denn Monlevade ist für die Brasilianer Universität und die große Besitzung der B.M. [Belgo Mineira] in Händen der Gringos dem Brasilianer ein Dorn im Auge.

Liebe Elly! Am 6. Juni 1954 bin ich hier in Monlevade aufgetaucht und in wenigen Tagen habe ich ein volles Jahr hier gewirkt. Die Zeit des Alleinseins wird nun bald ein Ende nehmen und Roby ist bald so fest, dass er den Kampf mit der Welt aufnehmen kann. Wir hoffen dass deine Arbeit mit Erfolg gekrönt wird, wenn auch alle Examen eine Glücksangelegenheit sind, so möge Gott Roby und uns vor einem Misserfolg verschonen und sollte dennoch eine Pechsträhne kommen, dann lieber Roby, vergesse nie, was ich sagte: “Deine Eltern sind deine besten Freunde! Lasse den Kopf nicht hängen, denn wir haben Dich lieb und wir werden dann eine Lösung finden.”

 Wenn ich dieses Jahr an mir vorbeifließen lasse, so muss ich sagen: “Es war leer.”

Liebe Elly! Viele Briefe von dDr haben mir so oft über schwere Momente hinweg geholfen und diese Deine Briefe sind mir so Gewohnheit geworden, dass ich die ganze Woche etwas vermisse und zwar Deinen Brief.

Ich nehme an, dass Ihr alle bei bester Gesundheit seid und schließe meinen Brief mit einem dicken Kuss für Dich, liebe Elly, Bomy und Roby

Emile