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Monlevade, den 13. Juni 1955

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Liebe Elly! Liebe Bomi! Lieber Roby!

Zunächst herzlichen Dank für Briefe Nummer 59 und 60, welche inzwischen eintrudelten und auf welche ich später genau eingehend antworte.

Am Donnerstag Fronleichnam, war hier 1. Kommuniontag für 450 Kinder und die sind Festzug der kleinen von tief schwarzen bis zur hellsten Tönung ließ ich mir nicht entgehen. Ich wohnte ebenfalls der Messe bei, weniger feierlich, wie bei uns, doch nicht weniger erbauend.

Herr Superintendent überließ den Betriebs-Chefs, ob an diesem Tage gearbeitet wurde und mein Beschluss war sehr gefasst, denn ich sagte Herrn Loutsch: “Wenn 450 Kinder zur 1. Kommunion gehen und wenn eine Prozession durch die Ortschaft pilgert, dann soll in einem Werk kein Rad drehen und auch kein Hammerschlag zu hören sein und so haben wir dies auch im Walzwerk gehalten. Das Stahlwerk hat munter drauflos gearbeitet, doch wenn wir den Stahl auch nicht gewalzt bekommen, wenn es von mir abhängt, dass an einem solchen Fest gearbeitet werden soll, dann wird nicht gearbeitet. Es war ein schöner Tag, herrlicher Sonnenschein und Ruhe.

 Genau so gestern, doch den Vorsatz zu schreiben, den habe ich nicht ausgeführt, denn ich habe die Zeit dazu verpennt.

Im Walzwerk hat es vergangene Woche nicht so besonders hingehauen, denn die Krankheit der 350er Str die habe ich bereits zur Genüge geschildert und die Rev. Str. steht wegen

Wechsel der Geistbrammen im Herd dieses Monstrums von stoßofen. Eine unheimliche Arbeit, welche einen Stillstand dieser Straße von wenigstens 14 Tagen bedeutet. Ich entschloss mich zu dieser Arbeit, da das Stahlwerk keine Oval-Kockillen für 600er Bänder hatte und wir doch die Hälfte der Zeit nicht walzen konnten, doch es wird für die Rohr-Fabrikation fühlbare Verluste geben. Am Samstag wurde das galvanisieren wieder aufgenommen. Der Wechsel der Pfanne war nicht einfach und das Einschmelzen von 80 To Zink ist auch keine Kleinigkeit. Kurzum, es war keine schöne Periode, seit meiner Pfingstreise nach Siderurgica und hier ist immer etwas anderes gefällig.

Die finanzielle Lage der B.M. [Belgo Mineira] scheint auch nicht so einfach zu sein, denn das Kapital wurde von 900 Mill. auf 1200 Mill. erhöht und ich bin überzeugt, dass diese Kapitalerhöhung zur Ausführung der B.M. [Belgo Mineira] Pläne nicht genügt.

Was soll ich noch weiter über Monlevade erzählen, außer dass wir noch Wasser genug haben, doch wir können nicht so walzen, wie wir dies notwendig wären, es fehlt eben immer an etwas und so bleibt nur noch übrig vom Wetter zu reden. Nachts kühl bis morgens 10 Uhr und wenn der Tal-Nebel sich verzogen hat, dann brennt der Stern. Heute morgen habe ich mit Pullover richtig gefroren, doch über Mittag war es sehr, sehr heiß.

Was Deine lieben Briefe betrifft, liebe Elly, so danke ich zunächst für die schönen Aufnahmen und besonders hebe ich die Fortschritte hervor, welche Roby in dieser Kunst aufweist. Alle Bilder sind schön scharf und neben der Freude Dich, Bomi und Roby in jüngsten Konterfei zu sehen, Trachten dieselben mir auch ein Stück Frühling und Heimat.

Herr Petit Übernimmt demnach leihweise Barry und Notiliar so soll er dann auch das Klavier mit übernehmen.


 


Liebe Elly! Ich möchte nichts verkaufen und zwar aus dem Grunde, welchen ich Dir bereits des öfteren geschildert habe. In den Büchern Readers-Digest habe ich ein Mittel gelesen gegen Motten- und Larven. Ich werde Dir im nächsten Brief den Namen durchgeben. Hiermit kann man ohne Schwierigkeiten das Klavier sichern und bitte tue mir den Gefallen, lasse die Drahtkommode dort stehen, wo dieselbe jetzt steht. Besten Dank!

Wegen der Nähmaschine bin ich einverstanden. Ich hatte die Absicht eine elekt. Nähmaschine zu kaufen, doch die Preise sind wahnsinnig gestiegen.

Besten Dank für die Namenstagswünsche und Kuss!

Die Anmeldung in Schifflingen ist wahrscheinlich jetzt zu spät und hätte vor sechs Monaten erfolgen müssen, doch bitte frage einmal in Luxemburg nach.

Für Luxemburger in Luxemburg wohnhaft, da erledigt der bras. Konsul in Antwerpen die Visa und für Luxemburger in der Sach wohnhaft der bras. Konsul in Paris.

Wo das Visum für Bomi beschafft werden muss, das kann ich nicht sagen, ich glaube es ist Frankfurt. Bitte zögere nicht lange und schreibe wegen Auskunft an das betreffende Konsulat. Es wird dies noch manches Kopfzerbrechen bereiten. Wenn durch Anmeldung in Luxemburg-Schifflingen die ganze Prozedur sich vereinfachen lässt, so bitte nicht zögern. In Luxemburg sind auch eine ganze Reihe Papiere zu besorgen. Ich werde nachsehen, ob ich noch Unterlagen hierzu habe. (Geburtsschein. Trauschein. Auszug aus Strafregister.)

Nach Aussagen von Herrn Engel brauchten die beiden ältesten Damen diesen ganzen Kram nicht, da touristenreise. Der Fall liegt anders bei Dauer-Visum.

In Antwerpen ist die Forderung auf Gesundheitszustand


 

auch einfacher, doch mit Attest von Dr. Schmidt war der Fall in Paris auch einfach.

Ich kann jetzt nur noch den Spruch wiederholen, welchen wir auf der Schiffsreise vor einem Jahr geprägt haben und welche wir schon so oft wiederholt haben: “Hate mir dat néideg.”

Liebe Elly! das Datum der Reise kommt immer näher. Es werden auch noch schwierige Momente kommen, doch was ist daran zu ändern. Lasse den Kopf nicht hängen. Wir sagen A und sagen auch B.

Ich schließe für heute mit einem dicken Kuss und dem frommen Wunsch, dass der Formalitäten-Kram nicht zu schwer werde. In Antwerpen würde Hubert helfen und ich glaube, dass alles viel einfacher zu erledigen wäre.

Alles Gute und Kuss für Dich, Bomi und Roby.

Emile