Monlevade, den 12. Juli 1955.


Liebe Elly! Liebe Bomi! Lieber Roby!
Liebe Elly, Brief Nr. 66 aus Luxemburg Schifflingen heute prompt hier eingelaufen. Herzlichen Dank für alle Süssigkeiten Grüsse und Küsse, ebenfalls besten Dank für Grüsse von Charles und Finny(?), doch ich zweifle an der Nr. 66, denn der vorletzte Brief trug die Nr. 63 und war vom 20. Januar und seit dieser Zeit heute das erste Lebenszeichen. Du schreibst: ”Ich weiss, dass Du in diesen Tagen in Gedanken immer bei mir und besonders bei Roby sein wirst. - Wenn er etc”
In deinem letzten Brief kein Wörtchen über Examen. Roby geht zum Ball und Tennis spielen und es hat mich doch etwas berührt. Ich nehme an, es sind noch ein oder zwei Briefe unterwegs. Die Entfernung ist halt doch etwas gross. Also weiter warten und ich halte den Daumen weiter.
Hier in Monlevade scheint jetzt wieder ein etwas normalerer Gang eingeschaltet zu sein. Die letzten Wochen waren alles, doch nicht schön. Es ist vor Jahren schon am falschen Ende gespart worden, etwas anderes wage ich nicht zu sagen und jetzt habe ich einen grossen Fehler gemacht. Unter dem Druck der Verhältnisse habe ich für die Rohrfabrikation neue Anlagen bestellt und das tat mir heute richtig Leid. Ich hätte dieses Geld für das Walzwerk so dringend benötigt, doch zu dieser Zeit habe ich noch nicht gewusst, dass die B.M. [Belgo Mineira] so schwach auf der Brust ist, ich war der Ansicht, dass es hier nicht auszuschöpfen
wäre. Leider ist dies nicht der Fall! Wir sind gewohnt nach unserem Geldbeutel zu kaufen, doch die B.M. [Belgo Mineira] hat dies anscheinend nicht gekannt. Es wurde immer aus dem Vollen geschöpft und nicht damit gerechnet, dass einmal eine Krise eintreten könnte und das dann das Geld rar wird.
Das Kapital wurde von 900 Millionen auf 1200 Millionen Cr. erhöht und dies genügt nach meinem Ermessen noch nicht einmal für den dringendsten Bedarf.
Gesundheitlich geht es mir gut. Erkältung und Schnupfen sind verschwunden. Es ist eigentlich zum Lachen, wenn man sagt: “In Brasilien kann man eine Erkältung erwischen.” Nachts ist es mitunter jetzt empfindlich kalt und Tags brennt der Stern. Liebe Elly! Bitte Steppdecken und Plumeaux mitbringen. Wenn wir dieselben auch in der warmen Jahreszeit nicht brauchen, dann werden dieselben zur Seite geschmissen oder in die feudalen Kisten verpackt, sofern dieselben bei Ankunft Monlevade noch so vornehm aussehen. Mein Koffer sah auch bei Abfahrt von ihm aus, doch bei Ankunft hier, konnte ich dies nicht mehr behaupten. Heute wurde mir mitgeteilt, dass das Haus pronto wäre. Bitte alle Lampen mitbringen, denn hier sind die Glühbirnen nichts wert.
Ich schließe nun für heute in Erwartung der Dinge die da kommen werden.
Meine besten Wünsche und küsse und zusätzlich einen dicken Kuss für Elly
Emile