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Monlevade, den 1. August 1955

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Liebe Elly! Liebe Bomi! Lieber Roby!

Herzlichen Dank für Brief Nr. 69 vom 18. Juli, welcher heute eintrudelte. Die Freude über Roby’s Erfolg war nicht weniger gross bei mir und ich wäre gerne bei Euch gewesen um dem Familienfest bei Kerzenlicht beizuwohnen, doch wenn ich mich in Gedanken bei Euch weilte, so war meine Feier ziemlich mässig. Erstens war die  Nachricht so tief packend, dass die Freude erst nach gewisser Zeit einsetzen konnte und erst dieser Brief mit allen Einzelheiten bringt mir nahe, dass Roby einen grossen Erfolg aufzuweisen hat. Roby hat glänzend abgeschnitten und wenn er schreibt:”Personellement j’ai eu beaucoup de chance et je peux en remercier le bon Bon-Dieu “, so war es doch in der Hauptsache, fleissiges “Arbeiten” und etwas Glück muss man im Leben haben. Alle Examen sind auch immer eine Doris Glücksache. 

Lieber Roby: “Noch einmal herzlichen Dank für Leistung und Erfolg.”

Ich danke jedoch besonders für diesen Brief, wo Du Liebe Elly, Bomi, Roby, Cleo und Hubert mir Liebe Zeilen schrieben.

Die Grippe ist vergessen, ich fühle mich munter und erwarte die Stunde, wo ich die Reise nach Rio antreten kann und wir wollen Gott bitten, dass Er uns alle gesund und wohl wieder zusammenführt.

Es folgt nun die Fortsetzung eines  Briefes, welche ich nach Erhalt dieses Schreibens auf den Weg bringen will.

An dem Tage, wo ich Roby’s Telegramm erhielt, da

pilgerte ich zum Klub, wo ich mit Herrn Kayser “Gérant Cassino” und Herrn Kloos mehrere Partien Linea spielte. Wir tranken etliche “Gin - Coca- Cola” ein Getränk für Damen und pilgerten dann wieder nach Hause. Eine für solche Veranlassung etwas mässige Feier, doch ich hatte die Nachricht telefonisch von Belo durchgegeben bekommen und hielt das Telegramm nicht in Händen.

Erst drei Tage später wurden die frohe Botschaft bringenden Zeilen mir ausgehändigt  und dann schrieb ich meinen Brief, denn zur Aufgabe eines Telegrammes zur Rückantwort schien mir reichlich spät, ich hatte durch brasilianische Verhältnisse den richtigen Moment verpasst, doch mein Brief wird nicht weniger Freude bereiten.

Der Monat Juli ist vorbei und an den letzten Tagen war durch Rohrbruch in einer Kühlwasserleitung das Trauerspiel ziemlich gross. Wir erreichten 10 965 To. Es fehlte an Hochofengas zum Beheizen der Pits-Öfen und unser Stauwerk für Kraft füllt sich an Sonntagen nicht mehr ganz auf. Mit dem Kühlwassermangel demnach ein nicht rosiger Monat. Hier muss man sich Tonnen regel-recht zusammenlegen. Liebe Elly, Du hast recht, wenn Du, Bomi, Roby, wenn wir wieder alle zusammen sind, dann werden wir die Sorgen teilen und so werde ich leichter über alles hinweg kommen.

Ich schliesse nun für heute und wünsche weiteren Erfolg an der Beschaffung der notwendigen Papiere.

Noch einen dicken Kuss für Dich, Liebe Elly, Bomi und Roby. Alles Gute!

Emile

P.S. Zwei Photos beigefügt. Hierbei habe ich definitiv aufgegeben, je einmal das Autofahren zu erlernen.