Monlevade, den 18. August 1955



Liebe Elly! Liebe Bomi ! Lieber Roby!
Heute habe ich Brief Nr.72 bekommen und Liebe Elly, hiermit herzlichen Dank. Wenn dein Brief auch kurz war, so erkenne ich doch, dass viel, viel Arbeit und so manches Kümmerchen damit verbunden war, denn so manches, wo man dran hängt, musste zurückbleiben. Meine Liebe Elly, lass es Dich nicht Verdriessen, denn einmal schon ist alles bei Rumpf und Hiel verbrennt und bitte rufe Dir diese armselige traurige Zeit in Erinnerung, denn jetzt es leichter. Dann bitte überlege, dass bereits nach kurzer Zeit wir dies alles wiederfinden werden, es sei denn dass noch einmal solche Katastrophe vorkommt. In Rio ist dieser Tage ein Hotel in Copa-Cabana mit 10 Etagen vollständig ein Opfer einer Feuersbrunst geworden und Menschenleben sind dabei zu beklagen. Ein junger amerikanischer Bürger sprang zum Fenster heraus aus dem 8. Stockwerk aufs (?)(=Dach?), da die Feuerwehr für solche Fälle keine Sprungtücher gehabt hat.
Die Feuerwehr scheint überhaupt schlecht an Material ausgerüstet zu sein, denn die Zeitung schreibt: “O Corpo de Bombeiros mal aparelhado.”
In drei Wochen beginnt die grosse Fahrt! Ich wünsche glatten Verlauf dieser grossen Reise und gute Reise d.h. Gutes Wetter mit ruhiger See..
Bitte denke an die Pillen gegen Seekrankheit um
bei dieser Gelegenheit bitte besorge auch Carter Pillen.
Zu Brief Nr. 72 hätte ich nur das eine zu sagen “Ich bedauere, dass das Schicksal oder Los gerade mich auswählen musste für diese Auswanderung und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten.”
Vielleicht kannst Du an ein Geschenk in Form von einer Flasche Mirabelle an Herrn Wester denken, desgleichen für Herrn Loutsch.
Nun möchte ich auch Briefe Nr. 70 und 71 zu analysieren, doch bevor ich dies ausgreife, möchte ich noch hervorheben, dass es mir wieder besser geht, dass ich mich wieder wohl fühle.
Zu Nr. 70 erwähne ich die Krankheit von Herrn [...], welche nach deiner Schilderung nicht so einfach ist. Was hat Herrn Cluisini wegen Nieren[...] doch schon aushalten müssen. Hierbei denke ich an die Schmerzen bei der “Cia Hik”
Herr Fischer hat mir auch hierüber allerhand erzählt, doch Vorstellung kann man sich dennoch keine machen. Was bin ich froh, dass ich diese “Misere” los bin. Alles andere wird später auch einmal mündlich durchgekaut.
Kunstrgranie, da der Junge eine Tasse d.h. Tässchen Negerschweiss serviert.
Zu Nr 71. Reise nach Paris. Nun eher Polit “Vielleicht gibt es wieder Nippes zu erben.” Wie hat es denn um den Abstempeln der Kistenaufstellung gegangen?
Krach zwischen Herrn und Frau Fr mündlich. Sonst nichts aussergewöhnlich Erschütterndes. W. [...] braucht sich kein Bomi auszureissen, denn Burbach wird Hilfe bekommen 10 für 1, was für Monlevade nicht so ist.
In Luxemburg wurden auf sämtlichen Werken Anschläge am schwarzen Brett aufgeklebt
“Monlevade sucht etc. etc., doch ich glaube nicht, dass sich eine lebende Seele meldet. Hier kommt es noch so weit, dass die Dipl. Inge. Meistergesten ausführen.
Doch dies alles unter uns!
Wesentlich ist, dass wir uns hier wieder ein gemütliches Haus einrichten und dann wird alles viel einfacher.
Das Leben wird nicht einfach hier sein und vieles wirst Du hier antreffen, welches entgegen alles gewohnte sein wird. Frau Heinen hat es jetzt vier Jahre allein ohne jegliche europäische Seele in G. V. ausgehalten und so werden wir auch auf die Zähne beissen. Ich freue mich auf unser Wiedersehen, wünsche gute Reise und ich hoffe dass der Abschied nicht zu schwer wird.
Bis zu unserem Treffen in Rio, alles Gute. Noch einen dicken Kuss für meine Elly, Bomi und Roby.
Emile