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Monlevade, den 28. April 1955

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Liebe Elly! Liebe Bomi! Lieber Roby!

Bei meiner Rückkehr von Belo Horizonte fand ich gleich zwei Briefe vor. Recht herzlichen Dank, liebe Elly! Bevor ich jedoch auf diese deine Nachrichten näher eingehe, möchte ich berichten über meine Reise. Ich musste wie bereits mitgeteilt zur Zentrale, wegen Steuererklärung. Herr Loutsch lud mich zur Mitfahrt ein per Flugzeug oder per Auto. Ich wählte die fahrt mit einem Imperial 1 Motor Typ und Binnen 28 Minuten waren Herr Roger Sen., Herr Loutsch und ich in Belo. Ankunft 11:28 Uhr hin.

Das ab Morgens 6 Uhr leer nach dort gefahrene Auto wartete vor dem Flughafengebäude und brachte Herrn Roger zur Wohnung seines Sohnes, welcher eine Engländerin geheiratet hat und glücklich hopst so ein kleines Mädel von zwei Jahren in neu erbauten Hause auf der Terrasse herum. Herr Roger Jun. war nach den sieben Seen gefahren und war nicht von der Partie. Beim ersten Zusammentreffen im Casino mit den beiden Herren Roger erzählte Herr Senior dass in dem letzten Jahr viel von mir die Rede ging in Luxemburg, dass er mich nicht kennengelernt hätte, wohl aber meine Elly. was ich nicht weiß, das macht mich nicht heiß.

Meine Unterkunft war Normandy und hierüber habe ich in einem kurzen schreiben genügend berichtet.

 Unsere Reise startete am Tire-Dentes-Tage [Tiradentes] und

Nach dem Mittagessen mit Herrn Loutsch fuhren wir nach Pampulha, heute nach dem Dammbruch ein Trauerspiel, doch früher als der See noch bestand ein beliebter Ausflugsort und noch früher mit Casino-Betrieb und Spielhöhle etwas Einmaliges. heute steht alles verwahrlost, doch wenn Juscelino Kubitschek Präsident wird, so ist es nicht ausgeschlossen, dass die Kugel daselbst wiederholt, denn das ganze Pampulha stellt ein Werk von Juscelino dar. Daselbst steht auch eine Kirsche. Herr Loutsch fand Anlage und Innendekoration schön, doch nicht mein Geschmack. Etwas “schrecklicheres” als Kirche habe ich noch nicht gesehen. Diese meine Ansicht scheint auch noch von anderer Seite geteilt zu werden, denn bis jetzt wurde noch keine Messe für die Pampulhaner in diesem “Edificio” gelesen. I show hat das Haus für Gottesdienst nicht für würdig, sondern zu gewagt gehalten und auch nicht eingesegnet. Anschließend Fahrt zum Country-Club und noch so einem Club. Kurze Inspektion, dann zum Ende der Welt, wenn noch unbebautes Gelände von Belo. Kino-Besuch! Herrlicher italienischer Film. Pão, amora e capricios mit Lola-Brigitte. Bitte nicht versäumen diesen Film zu sehen, wenn die Möglichkeit gegeben. Massenandrang um 20 Uhr eine Fila von 250m. Die Brasilianer sind im anstehen ganz groß. Abends beim Geschäftsschluss stehen 100 bis 500 storch in einer Reihe und warten auf Omnibus-Heimfahrt. Das wäre nichts für unsere Bomi. Keiner drängt sich vor oder schiebt sich in die Fila ein, denn es gibt keine größere Taktlosigkeit für den jährigen, und das Einschieben kann lebensgefährlich sein.

Bei solchen Gelegenheiten ist der Brasilianer schnell zur Hand mit Messer, sogar Revolver.

Start zur Laterna-Azul zum Abendessen.Das wurde mir schon so viel über dieses Lokal und dem lukullischen Essen erzählt und dabei ist es ein wenig ansprechendes Restaurant, welches hauptsächlich “Fruits de la mer” bietet. wer natürlich schwärmt für “Langouste” oder sonstiges Krebs Getier, der kommt auf seine Rechnung.

Erste Nacht in Normandy. ziemlich verfroren wache ich inmitten 8 Uhr auf, die Nächte fangen an, besonders gegen Morgen kühl zu werden und die Wolldecke lag im Schrank, doch wurde dieselbe am Morgen erst von mir entdeckt, dennoch ein Trost für die kommenden Schlummerstunden.

Freitag! Start zum Schuheinkauf. Steuererklärung. Konferenz mit allgemeinem Wurmziehen über Monlevade. Mittagessen in einer Churaskaria [Churrascaria]. Einkauf von leichtem Anzug. Änderungen notwendig. Abendessen im Ablamar auch Churaskaria [Churrascaria]. Anfahrt zum Normandy, doch Herr Loutsch fuhr zum Theater.

Samstag! Besprechung mit Herrn Schanen (Kasse) wegen Finanzen, dann Aussprache mit Herrn Scharlé privat und geschäftlich. Geschäftlich später mündlich.

Privat. Studium von Roby in Belo Horizonte. In verschiedenen Fächern Examen vor der Aufnahme. Kenntnis der Sprache notwendig.

 Der Sohn von Herrn Scharlé hat seine Studien in Belo in “Metallurgie” absolviert und macht jetzt ein Jahr “Stage” in Luxemburg, sag (Burbach) um dann wahrscheinlich zu mir ins Walzwerk zu kommen. Es hat jetzt keinen Zweck über Zukunftsprobleme näher einzugehen. Zuerst Roby’s Abschluss-Examen.

Samstag Mittag, Fejouada [feijoada] im Restaurant des Minas-Tennis-Club. Mittagsschlaf, doch vorerst Anzugs Probe. Ich bin doch froh, dass ich jetzt meine Anzüge, etwas schonen kann, denn so ein leichter Fetzen ist für die Tageshitze doch angenehmer.

Abendessen! Bier mit vier Würstchen im Tip-Top. Das beste Essen von Belo und dies kann mir die Dona Paula vom Tip-Top liefern. Hier bekommt man Sachen zu kaufen, welche sonst wohl nicht zu haben sind d.h. Spezialitäten für die Küche in es waren.

Sonntag! Messe 9 Uhr. Viele Leute und wenig Platz. es ist eine der bekannten Kirchen “Wenn alte hineingehen, dann etc.”

Spaziergang durch die Wolkenkratzerallee. Zufalltreffen mit Herrn Loutsch ohne Abmachung und auch weiter ohne Ziel. Mein Vorschlag ohne Gegenvorschlag die schönste Stelle von Belo, den Minas-Tennisklub wieder aufzusuchen wurde angenommen, doch hier haben nur Mitglieder mit Karte, welche am Eingang vorgezeigt werden muss, Zutritt und an Sonntagen herrscht hier tolles Treiben. (“Blick von der Terrasse, Wo wir saßen mit Sicht auf Piscine füge ich bei.”)

Ob mein Anzug, oder sonstige Vertrautheit, sagen wir Dreistheit (frech wie Oskar),wir gelangten ohne Einspruch in das Heiligtum der oberen 10000 von Belo. jedes kleine Kind hat seine persönliche Kennkarte mit Bild beim Eintritt zu zeigen. Mittagessen daselbst, jedoch keine Fejouada [feijoada]. “Suppe Micha und Rühreier mit Kopfsalat.” Dann kam wieder die Sorge, was beginnen wir mit unserem Sonntag Nachmittag?

 Mein Vorschlag dem Fußballspiel für die Minas-Meisterschaft Atletico gegen Cruzeiro beizuwohnen wurde nur schwach erwidert, denn Herr Loutsch nie Sportsmann gewesen, doch in Ermangelung eines Besseren, zogen wir per Auto nach dem Spielplatz der “Sette” und mit noch 17.000 hierigen wohnten wir einem einmaligen Schauspiel bei. Das Spiel war sehr schön, doch interessanter die Zuschauer. Die Tribüne war genau geteilt, eine Seite Atletico-Anhänger, andere Seite Cruzeiro-Anhänger. schon beim Aufmarsch der Mannschaft von Atletico war die Trennung deutlich, denn die eine Hälfte schoss tausende von Böllerschüssen ab, während auf der anderen Seite alles ruhig blieb. Kurze Zeit später kamen die Spieler vom Cruzeiro und jetzt ging die Knallerei auf unserer Seite los.Ein Vermögen wurde verballert. Die Schüsse d.h. Raketen mit je drei Schuss genannt “Fogete” wurde jedoch nicht nur in die Luft, sondern auch auf den Sportplatz gerichtet, es knallte überall, auch zwischen den Zuschauern. Ich hatte eine Heidenangst für meinen neuen Anzug, denn zwei Sportbegeisterte gingen an mir vorbei mit angebrannten Hosen und was drunter war, hatte auch von dem Freudenfeuer abbekommen.

 wir saßen in der 20 reinigen Tribüne ziemlich unten und Esk[...]-Papier, Mandarinenschalen und Kerne flogen dauernd von oben herunter, ob gezielt oder nicht, Kopf, Hals, Rücken etc. fahren Treffpunkte.

Dann kam das Spiel. Jede Aktion wurde angefeuert. Jeder Fehlangriff von der Gegenpartei bejubelt.

Fanatiker heiser vom Schreien wurden von Polizei mit gezogenem Knüppel aus dem Stadion geführt. Halbzeit ohne Tor. Die vier Buchstaben auf dem Beton unempfindlich geworden also eingeschlafen, weitere sitzenbleiben unmöglich, doch den Platz verlassen, daran dachte niemand, auch uns sogar den Herrn Superintendenten, hatte die Begeisterung gepackt. in der 15 minuten erzielte Atletico das erste Tor. Ich dachte alles ohne Ausnahme auf der Gegenseite wäre verrückt und war auch der Ansicht es wären keine Fogueten [fogetes] mehr vorhanden. Das Ganze glich in Knallerei, Gejohle, Bewegung einem Delirium von 9000 Menschen.

Die Spieler Waffen sich 8 Mann hoch auf den Torschützen und nachdem entwirren des Knäuels musste lange an dem Torschützen gepumpt werden, bis der arme Junge wieder Luft bekam.

Nach 13 Minuten Ausgleich. Wiederholung des geschilderten nur auf unserer Seite, mit weniger Beobachtungsmöglichkeit. Schluss 1 : 1. Einnahme 517000 Cr. Wiederholung des Spieles demnächst.

Müde und abgekämpft zogen wir zum Elite auf ein Glas Bier und dann zum Altamar zur leiblichen Stärkung.

Bereits Samstag sollten wir die Fahrt nach Monlevade per Auto durchführen, doch die Besprechungen nahmen kein Ende. So war Herr Loutsch wieder bestellt wurde für Montag früh und die Abfahrt sollte um 11 Uhr am kommenden Tag erfolgen.

Sonntag Abend Schlussakt im “Bico de Lacre” mit Whisky und dann schnell ins Bett.

Was ist “Bico de Lacre”? ein großes Lokal mit

Ausschank von allen möglichen Getränken, dazu Patisserie für Damen. Vor 6 Monaten haben Herr De Bertoli, Kayser und Leineweber dieses schönste Lokal von Belo eröffnet. Drei Schwager Debortoli Gérant im Casino von Siderurgica, Kayser Gérant im Casino Monlevade. Die Schwestern haben Differenzen bekommen und das Geschäft wird heute von Debortoli allein gefühlt. Eine Goldgrube, wobei Herr Kayser wahrscheinlich am schlechtesten durch den Zerfall abgeschnitten hat.

Montag früh. Einkauf eines Koffers und einer Arbeitshose, denn das Zeug brachte ich nicht mehr in meiner Serviette unter.

Eine teure Belo-Reise hatte sich mittlerweile entwickelt und mich drängte es nach Monlevade.

 Um 11 Uhr rief mich Herr Loutsch im Hotel Normandy an, dass die Besprechungen am Nachmittag weitergeführt werden mussten und dass ich am Nachmittag allein nach Siderurgica fahren möchte. Wir treffen uns zum Mittagessen im Normandy, wo ich noch Herrn Scharlé und Herrn Hein (mit einem belgischen Gesandten Frau und Sohn beim Mittagessen) Abschied nehmen konnte.

Start nach Siderurgica! Besichtigung der Werks-Anlage, doch die ganze Innung war nach Belo verreist, incl. Herr Fohrmann, so dass ich unsere persönliche Angelegenheit nicht regeln konnte. Also aufgeschoben.

 Nun bin ich wieder im alltäglichen. Der Monat April geht zur Neige. Viel haben wir nicht umgestoßen und der erwartete Erfolg an der Drahtstr. ist noch

Nicht eingetreten. Wenn die Fertigstrassen ordentlich funktionieren, dann gehen die Bloom's zur Neige und haben wir Halbzeug, dann will die Anlage der Fertigtrassen nicht mehr. Es ist ein weiter Weg und es gehört viel Geduld und noch viel mehr Aufbau. Die neu hergerichtete Galvanisier-Anlage kommt nur ganz langsam auf Produktion, während wir schwarze Rohre in rauhen Mengen auf Stock habe.

Besuche am laufenden Band! Belgischer Gesandter mit Frau und Sohn, zwei Herren von General Motors (Kunden). Bald trifft die General-Direktion ein und so wird weiter geweckt. Einer muss es doch hinhauen. Hoffen wir dass der Mangel an Energie uns nicht auch noch zusetzt.

Liebe Elly! so habe ich denn für heute Dir, Bomi und Roby einen kleinen Bericht von meiner Belo-Reise zum Besten gegeben. Herr Engel wird jetzt seiner Mutter und Schwiegermutter ebenfalls Belo in Natura zeigen, denn die Tage der Aufenthaltes und Besuches in Rio de Janeiro werden bereits hinter Ihnen liegen.

einmal wird auch der Tag kommen, wo wir uns wiedersehen und gemeinsame Ferien in Rio und Belo verbringen.

Meine Ausführungen haben sich so groß entwickelt dass ich die Beantwortung Deiner beiden Briefe als Fortsetzung bringen muss.

Es ist spät geworden und die Wanzen, welche einen Skat dreschen, warten schon lange.

Einen dicken Kuss, Liebe Elly, Bomi und Roby und alles Gute wünscht 

Emile