Actuellement en cours
Retour

Samstag, den 13. Juni 1954

4

Liebe Elly, Bomi und Roby,

Eine Woche in Monlevade.

Ausser den Werk, welcher nach moderner Planung gebaut wurde, kenne ich auch die Umgebung. Das Erz 75% wird im Tagebau genommen. Ein riesiger Berg bestehend aus Erz, wie ein herrlicher Reichtum sind alle Berge in einer Umgebung so weit das Auge sieht ebenfalls Erz. Eine Autostrasse fährt rund um den Berg bis zur Spitze, welche vor einem Monat erreicht wurde. Im Sonnenschein flickert und funkelt das Erz, wie in einem Märchenland.

Bei diesem unheimlichen Reichtum ein Volk, welches äusserst genügsam ist und von Reis und Bohnen lebt. Arbeit ist Nebensache und gearbeitet wird nur, um eine goldene Uhr kaufen zu können, vielleicht auch eine Anzug. 

Das Volk ist fromm, sehr fromm und wahrscheinlich der einzige Grund, weshalb die grossen soziale Gegensätze möglich.

Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass es sich hier in Monlevade leben lässt.

Allerdings braucht es eine Zeit, um mit vielem fertig zu werden, d.h. Rassen! Vom Weissen übergehend zum

tiefsten Schwarzen paart sich der Brasilianer und der Kindersegen kennt keine Grenzen. Monlevade hat vielleicht 17000 Einwohner und dabei 2500 schulpflichtige Kinder. Die Sterblichkeitsziffer ist trotz bester ärztlicher Betreuung sehr hoch. Ein Sterbefall wird mit viel Gejammer festgestellt. Nach einem Tag ist alles vergessen. Gott hat dies so gewollt. Zur Zeit fehlt es im Werk an Kraft. Es hat in der Regenperiode nicht genügend geregnet.

Wenn in ARBED Werken eine Blockstrasse oder sonst eine Anlage steht, dann ist die Aufregung unbeschreiblich. 

Hier steht das ganze Walzwerk zwei Tage in der Woche, doch kein Mensch regt sich auf.

An all dies muss man sich erst gewöhnen. Die Brasilianer sitzen zu 30 in einer Runde und halten einen Palaver. Arbeit, egal was, daran denkt keiner. Dennoch ist alles in bester Ordnung. Das Stauwerk hat eben kein Wasser, damit ist alles gesagt.

Doch nun genug für heute über die allgemeine Lage.

Liebe Elly! Mit Schmerzen habe ich gelesen, dass meine Briefe Dich noch nicht erreicht haben. Ob da jemand Briefmarken sammelt?

Ich habe in Rio einen Bericht von der

Schiffreise auf dem Lavoisier zum Versand aufgegeben, sofort nach Anlegen des Schiffes im Hafen.

Zu Belo Horizonte habe ich über Rio berichtet. Zu Monlevade über unsere Ankunft und über Belo.

Was ich nicht berichtet habe, das waren die 164 Finger-Abdrücke, welche in Belo gefordert wurden zur Erlangung eines Ausweises und dass eine schwarze …Holde(?) mir im Hotel in Belo meine Fingernagelbürste geklaut hat, da ich dieselbe ab Belo vermisse.

Roby’s Erfolg in der Prüfung hat mich riesig gefreut.

Lieber Roby!

Meine besten Wünsche begleiten Dich auf der Reise nach Paris und richte schöne Grüsse aus. Ich werde auch schreiben, doch vorerst muss ich hier einmal richtig warm werden, d.h. auf brasilianisch denken und arbeiten lernen.

In Belo hat man mir gleich 104000 br das Gehalt von vier Monaten ausbezahlt und den Fehlbetrag ab 15. Mai liebe Elly habe ich noch gefordert. 

Die Überweisung von 20000 br. Frs oder Dollars habe ich für jeden Monat ab Juni beantragt.

Bleibt noch ein frommer Wunsch, von der Cr. keiner Inflation verfällt.

Doch weshalb sich jetzt schon Sorgen machen, warten wir ab.

Zuerst wird Roby seine Mittelschule beenden und dann wollen wir sehen.

Meinen Gedanken weilen immer bei Euch, doch bitte ich Euch alle, besonders Dich liebe Elly! Macht Euch keine Sorgen um mich. Denken wir brasilianisch, doch in einem anderen Sinne. Wir bitten Gott, Er möge unser Unternehmen zum Besten lenken. Wenn Du Trost bei der Grotte findest liebe Elly, so suche diese Hilfe auf, aber keine Träne vergiessen. Ich weiss, dass Du tapfer bist.

Ich weiss heute, dass ich hier noch manche dicke Nuss zu knacken habe. Vielleicht das schwerste wird die Korrespondenz sein. Portugiesisch, Englisch, Deutsch, Französisch. Also alles d.h. Ein Allerwerts kerl (?). Wenn es sein muss, werde ich dies auch schmeissen.

Meine Wäsche habe ich ?ica im Kasino gewaschen bekommen. Ein ?, welcher mir Sorgen bereitete.

Heute habe ich Familie Seeburger besucht, Schöne saubere Wohnung. Freundliche Aufnahme.

Ich will nun schliessen und sende Euch allen besonders Dir Elly einen dicken Kuss.

Emile