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Dienstag, den 6. Juli 1954

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Dienstag den 6. Juli 1954

Liebe  Elly, Bomi und Roby !

Es ist nun schon so lange her, dass ich nicht mehr geschrieben habe und ich bitte somit darum nicht böse zu sein. Meine Gedanken waren stets bei Euch. Den Pullover und Vergiss-mein-nicht Mann habe ich über meinem Bett hängen und das Bild im Gebetbuch habe ich auch gefunden und mir von Belo einen schönen Rahmen mitbringen lassen.

Die kleine Familie steht auf meinem Nachttisch und so ist die Trennung leichter.

Wenn ich so lange nicht mehr geschrieben habe, dann hatte dies folgende Gründe.

1) Laufend fahren jetzt Familien nach Europa, den Rest brauche ich nicht zu erzählen 

2) Eine Erkältung hat mich seit einer Woche gepackt und ich komme schlecht dahinter

3) Warm werden wollte ich, um klaren Weiss(?) ein zu schenken 

Diese Punkte wollte ich jetzt analysieren, da ich mich wieder so stark fühle, eine klare Feder zu führen, wenn es auch mit dem Portugiesischen Wortschatz bei Stich geblieben ist.

Der Moralische ist überwunden. Ich habe nun einmal diesen Weg machen wollen und so wird daher alles auf die breite Schulter genommen. So ist klar, dass ein junger Mann sichtbar(?) über vieles hinweg wandert, wie Dein Emile.

Hier ist es Nachts sehr kalt und dazu [...] und ich vermisse mein Bett mit Steppdecke und Plumeau. Nun werde ich dies in einem Jahr ja wohl bekommen. 

Vorläufig habe ich vier Wolldecken, schwere Last

doch muss ich wie die Ziegen handeln, ich muss mich warm zittern. Andere schlafen nur mit Leinentuch,was müssen die ein dickes Fell haben.

Im Augenblick zieht eine Kältewelle von Argentinien herauf, doch ich habe vorgesorgt. Wollene Jacke, lange Unterhose, Pullover, alles habe ich mir angezogen, doch hat dies wieder seine Nachteile. Mittags drückt der Kern so stark dass man sich kaum schützen kann, es sei denn der Himmel hängt voll Wolken.

In dieser Bullenhitze zu Fuss zum Walzwerk und die 200m steile Bergstrasse, das kann den Menschen ruinieren. Jetzt ist aber dieser Schmerz überstanden, da Herr Loutsch einen Wagen zur Verfügung gestellt hat. Hoffentlich erfrieren bei der angesagten Kältewelle die Kaffee-blüten nicht, dann geht nämlich der Cr wieder ein Stück in den Keller.

Und nun liebe Elly zum Punkt 3.

In Brasilien hat es Ende 53 sehr wenig geregnet, die Regenzeit brachte so wenig Wasser dass der Rio Pirassikaba[Piracicaba] so wenig Wasser führt dass alles regelrecht ausdünstet d.h. der grosse Hauptdamm führt nicht genügend Wasser um dem Werk Monlevade Kraft zu geben. In Sabara ist es noch schlechter. Wir können praktisch noch 4 Tage in der Woche walzen. Sabara-Siderurgica noch 2 Tage / Woche.

Mein liebes Kind ! So etwas kannst du dir nicht vorstellen. Damit muss man zuerst mit sich selbst ins Reine kommen. Wir sind gewohnt, wenn eine Störung von einer Stunde war, so ging man der Suche auf den Grund und man schaffte Abhilfe, und hier tatenlos zusehen, wie über 400 Mann Pallawer führen und keinen Krümchen am Schwänzchen sich bewegt, das ist eine Patientia,

da muss dein Bub sich erst daran gewöhnen.

Strom ist in dieser Ecke genug, doch alles 60 Perioden und Monlevade ist mit 50 Perioden installiert. So etwas ist nicht auszudenken und geht nur schwer in mein Denkvermögen.

Was das Werk selbst betrifft, so soll eine Jahresleistung von 300000 to heute 150000 to erreicht werden. Das Walzwerk ist für diese Leistung noch weit weg. Es geht daher zuerst Ueberlegungen anstellen, wie hier vorgehen um der späteren Stahlversorgung Herr zu werden. Mein [...] in dieser Hinsicht brachte mich zu der Ueberzeugung, dass ich dies erreichen werde. Block n 4 heute auf 2 x 10 Str wird später mit 3 Schichten den Salat verdauen. 

Drahlotz(?) mit etwas Verbesserung. Reversier n 4 / Heckel J werden es schaffen.

Die kranken Kinder sind 650er und 350er Str. Meine Pläne sind jedoch bei schlaflosen Nächten, so weit gereift, dass ich mit vieler Arbeit und Ausbau auch hier erreiche, was noch fehlt.

Eins ist mir etwas unverständlich. Zu einer Strasse sind Blockstr. 650er Str. - 350er Str und 

Revervierstr. zusammen geschustert und für 650er und 350er Str. bleibt ein Lagerplatz für Adjustage und Stock 30m Platz zur Verfügung. Hier sind wie in Hostenbach nun auf Versand gewalzt.

Doch nun habe ich genug erzählt vom Sorgenkind. Ich will so schnell wie möglich diesen Brief zur Post besorgen.

Wie war Roby’s Reise? Was gibt es neues auf der grossen Wallfahrt ? Ich halte den Daumen für Roby im Examen.

Dicken Kuss und macht euch um mich keine Sorgen. Ich werde es schaffen.

Emile

Montag den 21. Juni 1954

Liebe Elly, Bomi und Roby !

Montagsstimmung! Der Sonntag war festlich. Nach einem Hochamt in der V-Kirche ca 1 ½ Stunden Dauer war der Sonntag eingeleitet. Es folgte dann ein Frühschoppen mit Abschied von Frank Schroeder. Start am Donnerstag und spätestens 24 Stunden nach Abflug in Rio, Landung in Paris.

Du siehst also liebe Elly, dass es von hier bis nach zu Euch nicht zu weit ist, dazu ist es noch nicht einmal so teuer (28000 frs.) Quatsch !

Diese Gedanken muss man überwinden. Hier geht jeden Tag ein anderer mit Familie auf die Reise. Alles Kontraktierte.

 

Dienstag den 6. Juli 1954

Hier fiel mir das Herz in die Schuhe. Ich sende den Säufzer mit, doch längst überwunden.

Bitte entschuldige Kr[...]!

Dicken Kuss für Dich, Bomi und Roby.

P.S. Ich bin am überlegen, ob ich mir ein Auto mit nach Brasilien bringe. Oder den Barry. Ich bin der Ansicht den Barry, vielleicht auch beides.

Emile

P.S. Denke nicht, liebe Elly, die Sonne hätte mir schon zugesetzt. Dies ist alles bei mir sehr klar. Später schreibe ich darüber genauer.